IFAT Munich

Fahrpläne für den Kunststoff-Kreisverkehr

Die globale Plastikflut ist ungebrochen – mit deutlichen Folgen für Umwelt und Klima. Es gilt, den gigantischen Materialstrom zu einem Kreislauf umzuformen. Die dafür erforderlichen politischen Pläne, gesetzlichen Regelungen und technologischen Lösungen gehören zu den Kernthemen der IFAT Munich. Die weltweit größte Fachmesse für Umwelttechnologien findet vom 30. Mai bis 3. Juni 2022 in München statt.

Der derzeitige Lebenszyklus von Kunststoffen ist alles andere als zirkulär. Das ist eine der Botschaften des Reports „Global Plastics Outlook: Economic Drivers, Environmental Impacts and Policy Options“, den die Industriestaatenorganisation OECD Ende Februar dieses Jahres vorlegte. Laut dem 200 Seiten starken Werk haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit sowohl die Jahresproduktion von Kunststoffen, als auch die Menge an Kunststoffabfällen mehr als verdoppelt. Letztere betrugen im Jahr 2019 460 Mio. t. Nur 9 % davon wurden recycelt, während 19 % verbrannt und fast 50 % auf Mülldeponien entsorgt wurden. Die restlichen 22 % landeten auf unkontrollierten Deponien, wurden in offenen Gruben verbrannt oder gelangten in die Umwelt.

 

Kunststoffrecycling mit hohem Klimaschutzpotenzial

Neben den vieldiskutierten Umweltproblemen mit Mikro- und Makroplastik haben Kunststoffe auch einen beträchtlichen Kohlenstoff-Fußabdruck: Sie tragen während ihres gesamten Lebenszyklus zu 3,4 % der globalen Treibhausgasemissionen bei. Die Schließung von Materialkreisläufen könnte diesen Fußabdruck erheblich verringern.

Doch welche Impulse und Maßnahmen sind für mehr Kreislaufwirtschaft bei Kunststoffen notwendig? Dazu veröffentlichte zum Beispiel die deutsche Kunststoff- und Recyclingindustrie im vergangenen Oktober ein gemeinsames Positionspapier. Dieses vereinigt die Standpunkte des Verbandes Plastics Europe Deutschland, des GKV Gesamtverbands Kunststoffverarbeitende Industrie, des VDMA-Fachverbands Kunststoff- und Gummimaschinen, des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE) sowie des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse). Als zielführende Ansatzpunkte nennen sie eine recyclinggerechte Produktgestaltung, den Umgang mit Exporten von Alt-Kunststoffen, das EU-weite Ende der Deponierung von Kunststoffabfällen sowie die Ausweitung von Entsorgungs- und Verwertungsstrukturen. Außerdem müssten die Marktbedingungen für den Einsatz von Rezyklaten weiter verbessert werden. Dafür brauche es einen klaren politischen Fahrplan und die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen.

 

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie im Koalitionsvertrag

Als einer dieser politischen Fahrpläne kann der Ende November 2021 von der neuen deutschen Bundesregierung vorgestellte Koalitionsvertrag gesehen werden. Er führte den Begriff einer „Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie“ ein. Zu den dort genannten Zielen gehört unter anderem ein gesetzlich verankertes Fondsmodell, das ressourcenschonendes und recyclingfreundliches Verpackungsdesign sowie den Rezyklateinsatz belohnen soll. Außerdem wollen die Koalitionsparteien höhere Recyclingquoten sowie eine produktspezifische Mindestquote für die Verwendung von Rezyklaten und Sekundärrohstoffen auf europäischer Ebene festschreiben.

Die Verbände der deutschen Entsorgungswirtschaft begrüßen generell die politische Wertschätzung des Themas Kreislaufwirtschaft – und sehen auch viele richtige Punkte im Vertrag. Gleichzeitig sind sie gespannt auf die konkrete gesetzgeberische Umsetzung – zum Beispiel bei der geplanten Aufnahme der chemischen Verwertung als Recyclingoption in das Verpackungsgesetz. Für den bvse beispielsweise kann die chemische Umwandlung von Kunststoffen in ihre chemischen Grundbausteine oder Basischemikalien nur eine ergänzende Funktion zum werkstofflichen Recycling haben. „Es darf nicht dazu kommen, dass dem Kunststoffrecycling die qualitativ hochwertigen Verpackungsströme entzogen werden“, betont Eric Rehbock, Hauptgeschäftsführer des bvse.

 

Kreislaufwirtschaft als essentieller Teil des EU Green Deals

Hohe Lenkungswirkung auf EU-Ebene wird dem im Jahr 2019 von der Europäischen Kommission ausgerufenen Green Deal zugeschrieben. Laut dem ehrgeizigen Plan soll die Gemeinschaft bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Unter den dafür anvisierten Maßnahmen nimmt die Kreislaufwirtschaft eine zentrale Rolle ein. So sollen in der EU bis zum Jahr 2030 nur noch wiederverwendbare oder rezyklierbare Verpackungen hergestellt werden. Außerdem soll ein neuer Rechtsrahmen für biologisch abbaubare und biobasierte Kunststoffe geschaffen werden. Wo Abfall nicht vermieden werden kann, muss dessen wirtschaftlicher Wert zurückgewonnen werden. Auswirkungen auf die Umwelt und den Klimawandel sind zu verhindern oder zu minimieren.

„Der European Green Deal ist definitiv ein Fingerzeig der Kommission, der allen Branchen noch einiges abverlangen wird“, ist sich Dr. Sarah Brückner, Geschäftsführerin des VDMA Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik, sicher. Nach ihren Worten haben in den letzten Jahren viele neue Technologien dafür gesorgt, dass mehr Verpackungen recycelt werden können. „Aber auch die besten Verfahren kommen an ihre Grenzen, zum Beispiel bei der Verwertung von Materialverbunden“, weiß Brückner. Insofern befürworte die Branche grundsätzlich den Vorschlag der Kommission, die Rezyklierbarkeit schon bei der Herstellung der Verpackungen einzufordern. „Jedoch erachten wir die Umsetzung – sprich die Definition von ‚recyclingfähig‘ – als schwierig bis nahezu unmöglich. Denn was heute nicht recycelbar ist, kann es morgen bereits sein“, gibt die Expertin zu bedenken.

 

Internationaler Vertrag soll globale Plastikverschmutzung beenden

Eine internationale Perspektive auf den zukünftigen Umgang mit Kunststoffen lieferte Anfang März dieses Jahres die Resolution der fünften UNO Umweltversammlung in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Nach dem Willen der Vertreterinnen und Vertreter von 175 Staaten soll bis Ende 2024 eine weltweit rechtsverbindliche Konvention erarbeitet werden, die die globale Plastikverschmutzung beenden soll. In dem geplanten Vertrag sollen auch Standards und Maßnahmen festgelegt werden, die den gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen abdecken. In diesem Kontext betont die Resolution die Bedeutung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft. „Eine unabdingbare Voraussetzung im globalen Kampf gegen die Vermüllung von Landschaften und Weltmeeren ist der Aufbau einer Entsorgungsinfrastruktur“, kommentiert BDE-Präsident Peter Kurth und fährt fort: „Deponien – ob legal oder illegal – sind generell keine gute Lösung, schon gar nicht bei leichten Kunststoffabfällen. Die Technologien zur Sammlung und Verwertung von Kunststoffen sind da – nun gilt es, sie weltweit zum Einsatz bringen.“

 

Kreislaufwirtschaft und Kunststoffrecycling: Kernthemen der IFAT Munich

Circular Design, chemisches Recycling und politische Marktsteuerung – diese hier angerissenen Schlagworte und viele weitere Aspekte aus den Themenfeldern Kreislaufwirtschaft generell und Kunststoffrecycling im Besonderen finden sich im Fachvortragsprogramm der IFAT Munich wieder. Außerdem bietet die Weltleitmesse für Wasser, Abwasser-, Abfall- und Rohstoffwirtschaft eine vom VDMA Fachverband Abfall- und Recyclingtechnik organisierte „Prozesswelt Kunststoffrecycling“, während der BDE und die Industrievereinigung Kunststoffverpackungen auf einer Sonderfläche Best-Practice-Beispiele gelebter Kreislaufwirtschaft präsentieren. Auch auf einer vom bvse unterstützen Messepräsentation stellen Kunststoffrecyclingunternehmen ihr Leistungsspektrum vor.

www.ifat.de

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