Materialbestand jederzeit im Blick mit 3D-LiDAR
Bei der Optimierung von Recyclinganlagen spielt die Erfassung und Verarbeitung von Zustands- und Prozessdaten eine zentrale Rolle. Doch auf eine grundlegende Frage haben Anlagenbetreibende bisher keine Antwort: Wie viel Abfallmaterial befindet sich überhaupt in der Anlage? Jetzt steht eine spezialisierte 3D-LiDAR-Sensorlösung zur Verfügung, die diese Bestandsinformation jederzeit aktuell liefert und sie auf Wunsch automatisch in die Materialflussmanagement-Software leitet.
Die Abfall- und Recyclingwirtschaft steht vor einer großen Aufgabe: Ein Positionspapier des Umweltbundesamtes von November 2022 gibt als Ziel für die Branche eine „Neuausrichtung … hin zu einer umfassenderen zirkulären Ökonomie“ [1] vor, also zu einer Wirtschaftsweise mit möglichst geschlossenen Ressourcenkreisläufen. Um eine solche gewaltige Nachhaltigkeitstransformation zu bewirken, empfiehlt das Amt in ebendiesem Papier zahlreiche Maßnahmen, darunter das „Erweitern der Informationsbasis und des Monitorings der Kreislaufwirtschaft“.
Die Menge an Daten, die zu diesem Zweck zu erheben und verarbeiten ist, ist immens. Um Informationen über den gesamten Wertschöpfungsprozess zu sammeln und zu nutzen, ist die Einführung von digitalen Lösungen unabdingbar. Doch in manchen Bereichen ist die Erhebung der benötigten Daten gar nicht so einfach, etwa bei der Echtzeit-Erfassung von Abfallvolumen in Recyclinganlagen, für die es bisher keine praxistaugliche technische Lösung gab. Mit 3D-LiDAR-Technologie steht den Betreibenden von Recyclinganlagen jedoch nun eine digitale Technologie zur Verfügung, die jederzeit exakte Daten zum Abfallbestand liefert und sie so dabei unterstützt, die Recyclingprozesse signifikant zu verbessern.
1 Abfallströme digital abbilden
Der hohe Stellenwert der Digitalisierung führte zu der oft zitierten Erkenntnis, dass Daten „das neue Öl“ sind – also der derzeit wichtigste „Rohstoff“ für die Wirtschaft. Im Fall der Abfallströme in der Recyclingwirtschaft lässt sich diese Aussage noch spezifizieren: Daten sind hier das wertvollste Werkzeug für eine effiziente und effektive Wiederverwertung von Rohstoffen. Denn jederzeit verfügbare digitale Daten über Bestand und Bestandsänderungen schaffen Transparenz über die Abfallströme. Und diese Transparenz bildet wiederum die Grundlage dafür, die Recyclingquote zu maximieren und die Wiederverwertungsanlagen wirtschaftlich rentabel zu betreiben.
2 Die Lage heute: Mangelhafte Daten zum Abfallbestand
Bislang stehen den Betreibern von Recyclinganlagen zu wenige und zu ungenaue Daten zur aktuell gelagerten Abfallmenge zur Verfügung. Das hat in erster Linie drei Ursachen:
Fehlende Technologien
Bislang ermitteln Entsorgungs- und Recyclingunternehmen ihren Materialbestand meist anhand der LKW-Wiegedaten bei der An- und Auslieferung und verlassen sich auf Schätzungen von Mitarbeitenden. Doch die bei der An- und Auslieferung ermittelten Gewichtsdaten sagen nichts darüber aus, an welchem Ort sich innerhalb der Anlage zu jedem Zeitpunkt welche Mengen an Material befinden. Wenn sie sich auf den Augenschein verlassen müssen, liegen sogar erfahrene Mitarbeitende oft weit daneben. Hohe Abweichungen der Messungen und Schätzungen von den realen Mengen sind daher die Regel und führen dazu, dass die Anlagekapazität nicht immer voll ausgenutzt wird.
Große Mengenschwankungen
Eine zentrale Herausforderung für die Volumenerfassung liegt darin, dass sich die Abfallmenge in Recyclinganlagen häufig ändert. Abfall wird regelmäßig angeliefert und zwischen Lagerbereichen sowie Anlagen hin- und hertransportiert. Gemessene Werte sind deshalb schon nach kurzer Zeit nicht mehr aktuell. Prozessbedingt ungenaues Abladen im Rahmen dieser vielfachen Transporte führt zu weiteren Ungenauigkeiten.
Mangelnde Dokumentation
Es gibt derzeit nicht nur zu wenige und zu ungenaue Daten; es ist für die Mitarbeitenden oft auch nicht einfach, die vorhandenen Daten zu finden. Die Werte werden oft in einem Mix aus analogen und digitalen Verfahren dokumentiert, etwa in Exceltabellen, als handschriftliche Notizen und – nicht intuitiv auffindbar – in den Anwendungssystemen für die Ressourcenplanung. Deshalb finden Mitarbeitende manchmal sogar eigentlich verfügbare Daten nicht.
Diese Probleme lassen sich mit spezialisierter 3D-LiDAR-Technologie lösen. Betreibende von Abfallverwertungs- und Recyclinganlagen haben damit mit geringem Aufwand jederzeit Zugriff auf exakte Daten zu den Materialvorräten.
3 3D-LiDAR-basierte Volumenerfassung
3D-LiDAR-Lösungen von Blickfeld erstellen mithilfe modernster Lasertechnologie ein detailliertes dreidimensionales Abbild der Oberfläche der Abfallhaufen und berechnen daraus deren Volumen. Zu diesem Zweck senden die 3D-LiDAR-Sensoren hunderttausende Laserpulse pro Sekunde über ein breites Sichtfeld aus. Trifft das Laserlicht auf ein Objekt, in diesem Fall die Materialoberfläche des Abfallhaufens, wird es reflektiert und wieder detektiert. Aus der Zeit, die das reflektierte Laserlicht benötigt, um wieder im Sensor anzukommen, wird der Abstand des Objekts gemessen (Time-of-Flight-Prinzip). Dadurch wird ein feingliedriges virtuelles Netz aus Entfernungspunkten über den gesamten Materialhaufen gelegt, aus dem Blickfelds Softwarelösung „Percept“ das Volumen sehr exakt berechnet.
In der Percept-Software können die Ergebnisse mehrerer Sensoren kombiniert interpretiert werden, sodass auch die Volumina von sehr großen Lagermengen, wie sie in der Recyclingwirtschaft üblich sind, zuverlässig und kontinuierlich erfasst werden können. Außerdem können die Informationen auf Wunsch automatisiert in die IT-Landschaft des Unternehmens, etwa in die Software für das Materialfluss-Management oder die Ressourcenplanung, geleitet werden. Dort stehen sie dann sofort für die Optimierung von Planung und Betrieb zur Verfügung. In der neuesten 3D-LiDAR-Lösung von Blickfeld, dem Smart Sensor Qb2, ist die Software für die Datenanalyse bereits in den LiDAR-Sensor integriert, sodass kein externer Rechner erforderlich ist. Das erleichtert Installation und Nutzung enorm.
4 Ein wichtiger Beitrag zur Erreichung der Kreislaufwirtschaft
3D-LiDAR-Sensorik stellt in Recyclinganlagen Materialdaten zur Verfügung, die beträchtliche Prozessverbesserung ermöglichen. Die genaue Kenntnis des Materialbestands bringt so große Vorteile, dass sie für die Erreichung einer „umfassenderen zirkulären Ökonomie“ ein echter Game-Changer ist. Die Verantwortlichen haben damit erstmals genaue Informationen zum zentralen Faktor „Bestand“ zur Verfügung, die sich auf den gesamten Ablauf des Recyclings auswirken können – von der Planung der Anlieferung über die Verarbeitung in der Anlage bis zur Auslieferung der hergestellten Rezyklate. Somit birgt Volumenerfassung mit 3D-LiDAR hohe Optimierungspotenziale und kann einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung geschlossener Ressourcenkreisläufe leisten.
5 Fallbeispiel: 3D-LiDAR-basiertes Bestandsmanagement bei Cireco
Cireco ist eines der führenden schottisches Unternehmen für Ressourcenmanagement. Wie alle Abfall- und Recyclingunternehmen muss Cireco eine Vielzahl an gesetzlichen Regelungen einhalten und kontinuierlich daran arbeiten, seine Prozesse zu verbessern und die Effizienz zu erhöhen.
Die Ausgangslage
Bisher setzte Cireco für die Bestandsermittlung, auf deren Basis die Mitarbeitenden die Auslastung der Sortiermaschine planen und steuern, auf Wiegedaten von Fahrzeugwaagen bei der An- und Auslieferung von Materialien und auf die visuelle Schätzung erfahrener Mitarbeitender. Aufgrund der häufigen Neuanlieferungen und den kontinuierlichen Bewegungen des Mülls zwischen den Lagerboxen und der Sortiermaschine wichen die Schätzungen aber erheblich von der tatsächlich verfügbaren Menge für die Sortierung ab. Deshalb konnte Cireco die Lager- und Anlagenkapazität nicht immer voll ausschöpfen. Um das zu ändern, suchte Cireco nach einer digitalen Lösung für die verlässliche Bestandsermittlung der Materialien auf Abruf, mit der sie die Planung und Auslastung der Wertstoffrückgewinnungsanlage und die damit verbundenen Prozesse wie etwa die Logistik optimieren konnten.
Entscheidung für QuVo Limited und Blickfeld-Sensoren
Schließlich hat sich Cireco für eine Zusammenarbeit mit Volumenmessungsspezialisten QuVo Limited entschieden und eine auf 3D-LiDAR-Lösungen von Blickfeld basierende automatisierte Lösung zur Volumenerfassung implementiert. Das Unternehmen hat dadurch jederzeit einen exakten Überblick über die tatsächlich in den Boxen gelagerte Abfallmenge, wodurch sie die Wertstoffrückgewinnungsanlage besser auslasten kann. Außerdem haben Mitarbeitende in Buchhaltung und Logistik stets Zugriff auf eine verlässliche Datenquelle und die Möglichkeit, den Sicherheits-Vorschriften zur Materiallagerung viel einfacher nachzukommen.
Drei Sensoren reichen für mehrere Boxen
Um den gesamten in den verschiedenen Boxen gelagerten Müll zu erfassen, hat Cireco an der Hallendecke drei Blickfeld Cube 1 LiDAR-Sensoren montiert. Dank des großen Sichtfelds dieser Sensoren reicht diese geringe Menge an Sensoren aus, um die große Fläche über mehrere Boxen hinweg abzudecken:
- Die LiDAR-Sensoren erfassen jetzt kontinuierlich 3D-Daten der Materialhaufen
- Die dazugehörige Software berechnet daraus umgehend das Materialvolumen und jede Bestandsänderung wird unmittelbar ersichtlich
Cireco kann das Bestandsmanagement und die Materialflüsse nun optimieren, die Ressourcen in den einzelnen Bunkern besser prognostizieren und mehr Lagerkapazität nutzen, was zu einer besseren Planung, Auslastung und Steuerung der Materialrückgewinnungsanlage führt.
Derzeit installiert Cireco weitere Sensoren an einem zweiten Standort und wird dadurch in der Lage sein, den Bestand an mehreren Standorten zu erfassen und die Ergebnisse kombiniert zu analysieren. So ist das Unternehmen in der Lage, die Effizienz und die Buchführungsgenauigkeit standortübergreifend weiter zu verbessern.
Insgesamt birgt die 3D-LiDAR-Sensortechnologie für das Bestandsmanagement in Recyclinganlagen ein hohes Optimierungspotenzial und kann wesentlich zur Entwicklung geschlossener Ressourcenkreisläufe beitragen, was ein entscheidender Schritt hin zu einer umfassenderen Kreislaufwirtschaft ist.
Autor:
Dr. sc. Florian Petit, Mitgründer und CXO der Blickfeld GmbH, München/Deutschland
Literatur
Merkmale des Smart LiDAR Qb2
· Hohe Reichweite bis 100 Meter · Großes Sichtfeld · Niedriger Stromverbrauch
· Per Software flexibel anpassbar
· Funktioniert bei Dunkelheit, Regen, Schnee, staubiger Luft
· WLAN-Datenübertragung
· Daten- und Stromübertragung über dasselbe Kabel (Power-over-Ethernet)
· Einfache Installation
· Wartungsarm