Vorteile und Fallstricke der Einführung fortgeschrittener Technologien
Das Potenzial der Fernüberwachung und des maschinellen Lernens zur Leistungssteigerung in der Recyclingindustrie verspricht beeindruckende Zeit- und Kosteneinsparungen. Technologien, die Fernsensoren einsetzen, können zwar dazu beitragen, signifikante Herausforderungen bei der Instandhaltung zu bewältigen, aber ihre Umsetzung kann auch neue unvorhergesehene Probleme schaffen.
Martin Engineering gehört zu den Pionieren von Technologielösungen für die Materialverarbeitung. Die Ingenieure des Unternehmens haben in den letzten zehn Jahren Fernüberwachungslösungen entwickelt, die Daten über den Zustand und die Leistung von Förderbandreinigern liefern, so dass die Wartungsteams praktisch nicht mehr zu den Anlagen gehen müssen, um eine manuelle Inspektion durchzuführen.
Herkömmliche Inspektionsverfahren verursachen nicht nur unnötige Betriebskosten, sondern auch ein unnötiges Sicherheitsrisiko. Deshalb ist die Fernüberwachung besonders effektiv, vor allem in Fällen, in denen z. B:
der Zugang schwierig ist und die Inspektion komplexe Verfahren und Überwachung erfordert,
der Betrieb heruntergefahren werden muss, nur um die Anlage zu öffnen und zu inspizieren,
die Förderanlagen weit auseinander liegen, so dass der größte Teil der Inspektion auf die Zeit entfällt, die für den Weg dorthin benötigt wird,
die Inspektion jedes Standorts Tage dauert, nur um festzustellen, dass keine Wartung erforderlich ist.
Die Herausforderung der vorbeugenden Instandhaltung
Das Streben nach kontinuierlicher Produktion macht es wahrscheinlicher, dass vorbeugende Wartungsinspektionen auf der „To-do“-Liste nach unten geschoben werden und Maßnahmen nur dann zur Priorität werden, wenn ein Problem auftritt, das behoben werden muss. Leider kann dies dazu führen, dass Anlagen bis zum Ausfall betrieben werden, anstatt sie so zu betreiben, dass die langfristige, kostengünstige Produktivität maximiert wird.
Komponenten wie Förderbandreiniger, die im Vergleich zu anderen Teilen des Betriebs nicht als produktivitätskritisch angesehen werden, gehören zu den ersten, die übersehen werden. Infolgedessen werden die Servicetechniker oft gerufen, um auf ein Problem zu reagieren, anstatt es zu verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass ein zu langes Ignorieren der Wartung langfristig zu höheren Kosten und mehr Ausfallzeiten führt.
Fernüberwachungsmechanismen reduzieren nicht nur den Arbeitsaufwand, sondern schränken auch riskante Verhaltensweisen ein, wie z. B. die Nutzung von Abkürzungen für den Zugang zu den Anlagen, um Zeit zu sparen, das Ignorieren von Inspektionsplänen und Risikobewertungen oder die Durchführung von Schnellreparaturen mit unzureichenden Werkzeugen, anstatt eine sichere Wartung während der vorgesehenen Ausfallzeit zu planen.
Durch den Einsatz cloudbasierter Technologie können Betreiber eine zustandsorientierte Echtzeitüberwachung und vorbeugende Wartung von Komponenten wie Bandreinigern oder Luftkanonen durchführen. Die von den Sensoren gesammelten Daten helfen bei der Vorhersage, wann eine Wartung erforderlich sein könnte. So haben die Betreiber genügend Zeit, eine Inspektion zu vereinbaren, die benötigten Teile zu bestellen und Auftragnehmer zu buchen, die die Wartung während der geplanten Stillstandzeit durchführen.
Die Entwicklung einer praktikablen Fernüberwachung
Das Innovationszentrum von Martin Engineering in Illinois/USA, hat das erste Gerät zur Überwachung von Polyurethan-Förderbandreinigern, den N2® Position Indicator (PI), konzipiert und entwickelt. Mit dem Ziel, das Gerät erschwinglich, zugänglich, zuverlässig und einfach zu installieren zu machen, werden die Leistungs- und Zustandsinformationen der Förderbandreiniger über einen zentralen „Zugang“ an die Cloud übertragen. Die Daten werden dann übersichtlich dargestellt und sind über eine spezielle mobile App oder eine Desktop-Plattform leicht zugänglich.
N2® PI von Martin ist die ideale Lösung, um die Inspektionszeit drastisch zu verkürzen. Je schwieriger und zeitaufwändiger die Gurtreiniger zu inspizieren sind, desto größer ist das Potenzial für Zeiteinsparungen. Wenn man den Zustand der Bandreinigerklinge mit Hilfe der App kennt, ist eine visuelle Inspektion im Grunde nicht mehr nötig. Live-Installationen zeigen, dass PI die Inspektionszeit um bis zu 90 % reduzieren kann, was auch bedeutet, dass die mit dem Zugang zu den Förderbändern verbundenen Sicherheitsrisiken verringert werden. Darüber hinaus macht die Fernüberwachung das Rätselraten um die Wartung des Bandreinigers überflüssig – der Zustand der Klinge basiert auf datengestützten Fakten und nicht auf menschlicher Beobachtung und Wahrnehmung. Das eröffnet die Aussicht auf eine reelle vorbeugende Wartung und im Laufe der Zeit auch auf eine vorausschauende Wartung.
Seit seiner Einführung sind inzwischen Tausende von PI-Geräten in mehr als 40 Aufbereitungsbetrieben weltweit installiert. Bei der Überwachung der Leistung der PI hat das Team von Martin jedoch festgestellt, dass sie für manche Betreiber nicht die richtige Lösung ist. Und genau wie die vertraute persönliche Technik, die wir alle täglich nutzen, kann auch die Fernüberwachung die Quelle einiger Frustrationen sein. In enger Zusammenarbeit mit den Kunden haben die Ingenieure von Martin Engineering vier Schlüsselbereiche identifiziert, die bei der Implementierung eines Fernüberwachungssystems zu beachten sind.
1 Spricht das System die wirklichen Probleme an?
Martin Engineerings Entwicklungsingenieure denken viel über potenzielle „Schmerzpunkte“ nach – die alltäglichen Probleme, die Ärger verursachen, Risiken schaffen, die Produktivität bremsen, Zeit verschwenden und Geld kosten. Die Kernaufgabe des Unternehmens, „sauberer, sicherer und produktiver“ zu arbeiten, treibt das Design und die Entwicklung des umfangreichen Produktkatalogs an.
Bei anfänglichen Nachforschungen wurde deutlich, dass viele technologische Lösungen scheitern, weil sie nicht auf reelle Probleme eingehen. In anderen Fällen gelingt es den Entwicklern nicht, den Betreibern klar zu machen, wie ihre innovative Lösung die Probleme angeht. Und das Schlimmste sind vielleicht die Beispiele, in denen neue Technologien neue Probleme mit sich bringen, die bei der Entwicklung und Prüfung übersehen wurden.
Für die Entwickler von Martin Engineering ist es daher von entscheidender Bedeutung, dass neue Technologien die Identifizierung von zentralen Leistungsindikatoren (Key Performance Indicators = KPIs) unterstützen, um sicherzustellen, dass die richtigen Probleme angegangen werden. Diese für jede Verarbeitungsanlage spezifischen KPIs konzentrieren sich auf Ineffizienzen in der Produktion und betriebliche Diskrepanzen zwischen einzelnen Förderbändern.
Das PI-System zeigt z. B. an, ob es ein Problem mit einer Bandreinigungsklinge an jedem Förderband gibt. Für einige Instandhaltungsmanager ist das nützlich, um dringende Maßnahmen zu ergreifen. Für andere ist es nur eine weitere Benachrichtigung über eine weitere Aufgabe auf einer bereits zu langen Liste von Aufgaben (und offen gesagt einer Aufgabenliste, die in nächster Zeit nicht abgearbeitet werden kann). Die Fernüberwachung ist also nur dann sinnvoll, wenn das interne Wartungsteam über die nötigen Kapazitäten verfügt, um Schritt zu halten.
In anderen Fällen, z. B. an einem Standort, an dem das Produktionsteam ständig Rundgänge und visuelle Inspektionen des gesamten Betriebs durchführt, wird die Fernüberwachung nicht in gleichem Maße geschätzt wie an Standorten, an denen nur selten Rundgänge durchgeführt werden. Die Daten von den Sensoren geben Auskunft über bereits bekannte Probleme, so dass die Notwendigkeit, die App zu konsultieren, selbst ein Problem darstellt.
2 Liefert das System nützliche, verwertbare Daten?
In einem großen Materialverarbeitungsbetrieb besteht die Gefahr, dass Fernüberwachungslösungen zu einer Datenflut führen. Wir alle werden bereits mit Informationen aus unzähligen Quellen überflutet, und zusätzliche Daten aus Fernüberwachungssystemen konkurrieren mit E-Mails, Nachrichten und endlosen anderen Benachrichtigungen. Dabei tappt man leicht in die Falle, zu denken, dass der Zugang zu viel mehr Informationen das Ziel ist und nicht die Entscheidungen und Maßnahmen, die auf der Grundlage dieser Informationen zu treffen sind.
Wie beeindruckend eine Technologie auch sein mag oder wie interessant Fernüberwachungsmetriken auch sein mögen, die Datenerfassung allein führt nicht zu einer besseren Produktivität. Die Informationen müssen daher hilfreich und genau sein und auf eine Weise präsentiert werden, die die Entscheidungsfindung unterstützt. Ebenso können die falschen KPIs den Fokus vom gewünschten Ergebnis ablenken und die Entscheidungsfindung in einer Weise verzerren, die letztlich der Produktivität schadet. Die mobile App und das Dashboard von Martin OnSite bieten eine Reihe von übersichtlichen Diagrammen mit umsetzbaren Informationen, die automatisch analysiert, interpretiert und auf eine Weise präsentiert werden, die die Entscheidungsfindung erleichtert.
3 Sind Anwender bereit und offen für Veränderungen?
Eines der größten Hindernisse für eine Weiterentwicklung ist die Unfähigkeit oder mangelnde Bereitschaft zur Veränderung. Dabei gibt es zwei Haupttypen – Geschäftsprozesse und Menschen. Erstens können alteingesessene Geschäftsprozesse starr sein und Arbeitsweisen hervorbringen, die sich über Jahrzehnte hinweg verfestigt haben. Zweitens sind die Menschen im Allgemeinen resistent gegen Veränderungen in ihren täglichen Routinen, ungeachtet der Ineffizienz oder Sicherheit.
Die Einführung jeder Technologie erfordert also ein Änderungsmanagement. Bei der Installation und Integration des Systems muss sichergestellt werden, dass die Vorteile der Veränderung von den Beteiligten erwartet und verstanden werden und dass die neuen Arbeitsabläufe weniger belastend sind als das aktuelle System. So wehren sich z. B. die Beschäftigten im Bergbau häufig gegen die Einführung von Technologien, weil sie glauben, dass diese ihre Arbeitsplätze überflüssig machen könnten. Dies ist nicht ganz unbegründet, denn in einer großen Aufbereitungsanlage könnten N2® PIs die Arbeit eines typischen Arbeiters bis zu einem Tag pro Woche ersetzen.
In einigen Fällen hatten die Wartungsteams von Förderbändern, die nicht wussten, dass Sensoren eingebaut sind, oder die nicht in deren Funktionsweise geschult waren, negative Auswirkungen auf die Überwachungssysteme, weil sie diese nicht korrekt zurückgesetzt haben. In anderen Fällen wurden die Überwachungsgeräte absichtlich manipuliert, und in einem Fall glaubten die Arbeitnehmer, die neuen technischen Anlagen würden dazu benutzt, ihr Verhalten auszuspionieren, was ihrer Moral schadete.
Wie bei allen neuen Systemen müssen die Beteiligten also gut vorbereitet und geschult werden, wozu auch gehört, die Gründe für die Installation von Fernüberwachungssystemen zu erläutern. Wenn Menschen etwas Neues lernen sollen, ohne zu verstehen, warum sie sich ändern sollen, ist Widerstand wahrscheinlich, und ein Scheitern ist wahrscheinlich. Derartige Widerstände können auch dadurch überwunden werden, indem sichergestellt wird, dass die neue Technologie einfach zu bedienen und intuitiv ist und sogar besser (und sicher nicht schlechter) als die bisherigen Verfahren.
4 Ist die Integration in bestehende Systeme möglich?
Der N2® PI ist so konzipiert, dass er in Bandreinigungsanlagen nachgerüstet werden kann, ohne dass das System aufgerüstet werden muss. Außerdem ist das System für Betriebe aller Größen, Typen und Altersgruppen ohne zusätzliche Kosten skalierbar. Allerdings kann es zahlreiche physische Hindernisse geben, von der Zugänglichkeit und dem verfügbaren Platz bis hin zu alten Stahlkonstruktionen, die neu gefertigt werden müssen.
Sobald der zentrale Zugang installiert und mit Strom versorgt ist, kann jede PI in nur wenigen Minuten installiert und gekoppelt werden. Noch wichtiger ist, dass ein einziger Zugang Tausende von PI-Sensoren verwalten kann, so dass eine Erweiterung des N2®-Netzwerks keine weiteren Investitionen in die Kommunikationsinfrastruktur erfordert.
Wenn ein Betrieb bereits über eine zentralisierte Fernüberwachung für andere Komponenten verfügt, können die N2®-Daten in die vorhandenen Systeme integriert werden, auch wenn dies zusätzliche Arbeit erfordert, um die Kompatibilität sicherzustellen. Um eine Datenflut zu vermeiden, empfiehlt es sich, mit einfachen Kern-KPIs wie Status und Verschleißzeiten zu beginnen und diese dann nach Bedarf zu erweitern.
Der Schlüssel zum Erfolg
Nach rund fünf Jahren Entwicklungszeit für die Fernüberwachung von Förderbandreinigern hat Martin Engineering die Technologie kurz vor der weltweiten Covid-Pandemie im Jahr 2020 offiziell eingeführt. In enger Zusammenarbeit mit den Produktions- und Wartungsteams der Kunden hörten die Martin®-Servicetechniker zu, lösten erste technische Herausforderungen und meldeten Probleme. In der Folge hat Martin Engineering zwei weitere N2-Sensoren für Förderanlagen entwickelt, die mit demselben Portal arbeiten, und wird voraussichtlich 2025 einen neuen Durchflusssensor auf den Markt bringen.
Wie bei allen Dingen ist auch bei der Einführung neuer Technologien eine pragmatische und ausgewogene Sichtweise erforderlich. Martin Engineering hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Kunden bei der Erreichung ihrer Sicherheits- und Effizienzziele zu unterstützen. Daher empfiehlt sich eine Beratung und Überprüfung der Betriebsabläufe auf ihre Machbarkeit, gefolgt von einer angemessenen Einführung und schrittweisen Integration. Um die gewünschte Produktivitätsverbesserung zu erreichen, ist es erforderlich, die möglichen Fallstricke zu kennen, die mit Veränderungen einhergehen. Am wichtigsten ist es, die richtigen Gespräche zu führen, zuzuhören, um die wahren Probleme zu verstehen, die Herausforderung anzunehmen und zusammenzuarbeiten, um greifbare Ergebnisse zu erzielen.