Gipfeltreffen der Kreislaufwirtschaft - Circular Valley Forum
24.11.2023Beim Gipfeltreffen der Kreislaufwirtschaft gab es viele Beispiele für den Fortschritt in der Circular Economy: die erste grenzüberschreitende Zusammenarbeit zweier Regionen, 14 vielversprechende Geschäftsmodelle von internationalen Startups und Unterstützung von den Vereinten Nationen.
Blick in den großen Saal beim Circular Valley Forum. Mehr als 1000 Gäste waren in der Historischen Stadthalle Wuppertal dabei
© Jan Turek / Circular Valley
Für NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst begann das Circular Valley Forum am Donnerstag (16. November) mit doppelter Freude. In der Historischen Stadthalle Wuppertal entdeckte er zwei Werke des Künstlers Tony Cragg, dessen erklärter Fan er ist. Gerahmt von den beiden Skulpturen sorgte er dann mit seinem flämischen Kollegen Jan Jambon für einen historischen Moment: Die Ministerpräsidenten unterzeichneten die erste Kooperation von zwei Regionen aus zwei Ländern in der Kreislaufwirtschaft. NRW und Flandern werden in den kommenden fünf Jahren Wissen austauschen, Pilotprojekte starten, Fachkräfte ausbilden und gemeinsam Fördermittel beantragen. „Wir wollen vormachen, dass es geht“, sagte Wüst. Nordrhein-Westfalen und Flandern würden zum Kreislauf-Zentrum Europas und sich gemeinsam dafür einsetzen, die Materialkreisläufe „so weit wie möglich“ zu schließen, betonte Jambon. Die Vereinbarung der beiden Nachbarn ist ausdrücklich offen für weitere Länder und Regionen.
Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen war beim Circular Valley Forum mit vier weiteren Kabinettsmitgliedern vertreten. Sie demonstrierten eindrucksvoll, dass Circular Economy ein Querschnittsthema ist. Wirtschaftsministerin Mona Neubaur und Umweltminister Oliver Krischer, beide schon zum zweiten Mal Gast des Forums, bringen die Themen mit ihren Ressorts voran, aber auch in allen anderen Ministerien spielt es eine wichtige Rolle.
Die Ministerpräsidenten Hendrik Wüst (NRW) und Jan Jambon (Flandern) unterzeichneten beim Circular Valley Forum die erste Vereinbarung zweier Regionen aus zwei Ländern über die Zusammenarbeit in der Kreislaufwirtschaft
© Jan Turek / Circular Valley
Mona Neubaur, die Schirmfrau des Circular Valley ist, verdeutlichte in ihrer Rede beim Forum, wie dringend gehandelt werden muss: „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wenn es so weitergeht, dann sind wir erst 2065 dort, wo wir 2040 sein wollen.“ An die Unternehmerinnen und Unternehmer im Saal gerichtet sagte sie: „Unsere ökologischen Systeme drohen zu kippen. Das bedeutet für Sie: Ihnen gehen Ihre Assets verloren, wenn wir nicht etwas tun.“ Umgekehrt könne Circular Economy zum Wachstumsmotor für Nordrhein-Westfalen werden.
Die positive Energie des Forums beeindruckte auch NRW-Europaminister Nathanael Liminski und einen Gast aus New York. Er sei vom Circular Valley Forum fasziniert, weil es dort so viel „zupackende Zuversicht“ gebe, sagte Liminski. Solche Zuversicht sei entscheidend, um Menschen zu motivieren, dass man die Wende trotz der gewaltigen Herausforderungen unserer Zeit schaffen könne, erläuterte Nanette Braun, Leiterin der Kommunikationskampagnen der Vereinten Nationen. Menschen bräuchten das Gefühl „Ich kann Teil der Lösung sein“.
Unterstützung aus dem Bundeskabinett
Circular Valley ist eine im Sommer 2021 gegründete Initiative, die die Circular Economy voranbringt und die erweiterte Rhein-Ruhr-Region zu deren globalem Hotspot macht. Das Forum ist dabei das Gipfeltreffen der Kreislaufwirtschaft. Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutieren einen Tag lang den Stand der Transformation, aktuelle Herausforderungen und neue Lösungen. Zu den Themen des diesjährigen Forums zählten erneuerbare Energien, unternehmensübergreifende und europaweite Zusammenarbeit, Finanzierung der Circular Economy und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren.
Rückenwind bekam das Circular Valles Forum von zwei Mitgliedern der Bundesregierung. Umweltministerin Steffi Lemke und Finanzminister Christian Lindner unterstützten die Initiativen in Videobotschaften. Er begrüße sehr, dass Vertreter aus unterschiedlichen Bereichen „regelmäßig zusammenkommen, um Erfahrungen auszutauschen und Politikempfehlungen zu geben. Wir nehmen sie sehr gerne auf“, sagte Lindner. Kabinettskollegin Lemke erklärte, Circular Valley habe eine wichtige Vorbildfunktion: „Sie zeigen, welche Chancen in der Kreislaufwirtschaft stecken.“
Alle Startups der 5. Kohorte beim DemoDay
© Jan Turek / Circular Valley
Startups mit neuen Ideen und ersten Meilensteinen
Inspiration erhielten die Gäste des Forums zudem von 14 internationalen Startups, die derzeit in der neuen Runde des Circular-Valley-Förderprogramms unterstützt werden. Beim DemoDay des Circular Valley stellten die jungen Unternehmen ihre Ideen für eine echte Kreislaufwirtschaft. Sie vermeiden damit Emissionen und bewahren Material. Sie präsentierten recycelbare Flügel für Windkrafträder, Bauteile aus modifiziertem Bambus oder Altglas und eine App, mit der man in der Landwirtschaft sehr viel Frischwasser spart. Die Gründerinnen und Gründer sind unter anderem aus den USA, Ecuador, Nigeria, dem Jemen und Singapur in die Rhein-Ruhr-Region gekommen.
Ein gutes Circular-Economy-Startup erzielt eine dreifache Wirkung: Es verhindert Emissionen, schont Rohstoffe und spart Geld. Gemessen daran waren beim DemoDay des Circular Valley 14 sehr gute Startups zu Gast. Die internationalen Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Initiative aktuell in der Rhein-Ruhr-Region fördert, präsentierten Geschäftsmodelle, mit denen sie Umweltbelastungen im großen Maßstab verhindern, aus vermeintlichen Abfällen neue Materialien machen und den bisher üblichen Verbrauch von Wasser, Holz oder Beton deutlich senken.
Maxim Vermeer von Kohlschein Modulbau beim DemoDay
© Jan Turek / Circular Valley
Beispiele vom DemoDay
Angesichts der Kunststoff-Verschmutzung der Weltmeere suchen viele Startups nach Alternativen zum Plastik. Mi Terro aus den USA hat einen biobasierten Kunststoff entwickelt, mit dem man zum Beispiel Waschmittel oder Ketchup verpacken kann. One.five aus Deutschland hat neue Umhüllungen für Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel sowie Toilettenartikel erfunden.
70 % des Frischwassers geht in die Landwirtschaft. Damit dieser Anteil sinkt, hat Smart Watering Solutions aus Serbien eine App entwickelt. Sie liefert genaue Daten, wann und wie viel Wasser gebraucht wird. Das spart 15 % Kosten und 19 kg CO2 pro Hektar.
Der Bausektor hat einen hohen Anteil an den Schadstoffausstößen, umgekehrt bietet er daher viele Möglichkeiten, Emissionen zu senken. Wie das gehen kann, zeigten beim DemoDay Widuz aus Singapur und Kohlschein Modulbau aus Warburg. Die Asiaten haben einen Hochleistungs-Bambus entwickelt. Der schnellwachsende Rohstoff ersetzt Holz, zum Beispiel in Möbeln, Fensterrahmen und Treppen. Kohlschein Modulbau nutzt Altglas beziehungsweise Hanfbeton, um umweltfreundliche Bauteile zu schaffen.
Das deutsche Startup Voodin Blade Technologies löst eine Herausforderung bei den erneuerbaren Energien. Bisher werden Windkraftanlagen, wenn sie das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben, kaum recycelt. Der Aufwand ist so hoch, dass 78 % der Windräder auf einer Deponie landen. Voodin Blade hat Flügel aus Holz entwickelt, die dieselben Eigenschaften haben wie herkömmliche Rotorblätter, aber wiederverwertet werden können und deshalb 20 % Kosten sparen. Einen Prototypen gibt es bereits, in den nächsten beiden Jahren entstehen nun immer größere Flügel.
Quadloop geht zwei in Afrika weitverbreitete Probleme an: die großen Mengen an Elektroschrott und die instabile Stromversorgung. Die Nigerianer stellen aus Abfällen Solarlaternen her. Sie halten Elektroteile im Kreislauf und sorgen für sicheres Licht. Damit haben sie unter anderem beim Weltwirtschaftsforum in Davos für Aufsehen gesorgt.
Im selben Feld arbeiten zwei weitere Circular-Valley-Startups: Niu Niu aus Mexiko hat eine KI-Technik entwickelt, die die Bestandteile von Elektroschrott analysiert und so unter anderem seltene Stoffe rettet. Und Circu Li-Ion aus Luxemburg ermöglicht es, Batterien sauber zu recyceln und wiederzuverwerten.
Yelda Demirdöğen von one.five beim DemoDay
© Jan Turek / Circular Valley
Circular Valley und seine Partner unterstützen die Startups
Die Teilnehmenden für eine Runde des Circular-Economy-Accelerators werden von einer Jury aus vielen hundert Vorschlägen ausgewählt. Sie werden dann über drei Monate unterstützt, ihre Idee marktfähig und groß zu machen. Hochkarätige Coaches und Mentoren arbeiten im Circular Valley mit den Startups an ihren Geschäftsmodellen. Zudem vermittelt die Initiative einen intensiven Austausch zwischen den jungen und etablierten Unternehmen.
Dass dies wirtschaftlich sehr aussichtsreich ist, betonte jüngst Bundesumweltministerin Steffi Lemke. „Umwelt- und Naturschutz werden immer stärker zu Innovationstreibern für unsere Wirtschaft“, sagte sie in einer Videobotschaft an Circular Valley. Der globale Wettbewerb um die besten Ideen im technischen Umweltschutz nähme nun „wirklich Fahrt auf“.
Alumni erreichen Meilensteine
Wie wichtig das Circular Valley für den weiteren Weg ist, bewiesen mehrere Startups früherer Förderrunden, die im Publikum des DemoDays saßen: Plastic Fischer hat gerade die 1000. Tonne Kunststoffmüll aus Flüssen in Indien und Indonesien geholt. Den ersten Partner aus der etablierten Wirtschaft fand das in Köln angesiedelte Unternehmen nach seiner Präsentation in Wuppertal vor zwei Jahren. Einen ähnlichen Meilenstein erreichte das Circular-Valley-Startup Bioweg, das soeben eine Partnerschaft mit Bayer geschlossen hat. Ziel ist es, biologisch abbaubare Saatgutbeschichtungen zu entwickeln.
Die Startups in der aktuellen Runde des Förderprogramms von Circular Valley:
- Nachhaltiges Bauen: Widuz (Singapur), Kohlschein Modulbau (Deutschland)
- Landwirtschaft: Smart Watering Solutions (Serbien)
- Wasser: BlueActivity (Deutschland)
- Alternative Rohstoffe: Mi Terro (USA), Ourobio (USA), Bio Treasure (Jemen), Voodin Blade (Deutschland)
- Recycling: Circu Li-ion (Luxemburg), NIU NIU (Mexiko), QuadLoop (Nigeria), Microwave Solutions (Schweiz), Vertmonde (Ecuador)
- Kunststoffe: one.five (Deutschland)
Hier finden Sie weitere Details zu den 18 Startups.
Auf der Bühne diskutierten Dr. Carsten Gerhardt (Circular Valley), Fotograf Peter Voss, Nanette Braun (Vereinte Nationen) und Künstler Sir Tony Cragg darüber, wie man Kreislaufwirtschaft am besten kommuniziert
© Jan Turek / Circular Valley
Kommunikation über Kunst
Neben den Skulpturen von Tony Cragg transportierten weitere Kunstwerke die Botschaft des Circular Valley. HA Schult hatte vor der Historischen Stadthalle einen „Wertgiganten“ aufgestellt, eine sechs Tonnen schwere Figur aus Elektroschrott. Im Gebäude zeigte der Fotograf Peter Voss auf 60 Bildern, wie die Ärmsten der Armen im und vom Müll leben.
Tony Cragg inspirierte das Forums-Publikum auch als Diskussionsteilnehmer. Der Mensch sei das einzige Lebewesen, das in die Materie expandiere, sagt er. Man müsse deshalb früh beginnen, weniger materiell geprägt zu leben. Der Brite plädierte dafür, das Thema schon in den Grundschulen zu lehren, damit die Menschen ein tiefes Verständnis von der Materie bekommen. Dann würden sie auch anders handeln und der Weg zur Circular Economy werde leichter zu gehen sein.
Gästeliste
Darüber hinaus besuchten unter anderem Ina Scharrenbach (NRW-Ministerin für Heimat, Bauen und Kommunales), Gunther Adler (Autobahn GmbH des Bundes), Henrik Ahlers (Ernst & Young Deutschland), Rolf Buch (Vonovia), Marc Ehrhardt (BASF Corporation USA), Prof. Dr. Manfred Fischedick (Wuppertal Institut), Prof. Dr. Walter Leitner (Max Planck Institut), Heike Prinz (Henkel), Prof. Dr. Lambert T. Koch (Deutscher Hochschulverband), Surendra Patawari (Gemini Corporation Belgien/Indien) und Patrick Wendeler (BP Europa) das Circular Valley Forum.
Das nächste Circular Valley Forum findet am 15. November 2024 statt.