Wunsch und Wirklichkeit in der Recyclingwirtschaft

Fachtagung des FIRE Interessengemeinschaft der Recyclingwirtschaft e. V. in Freiberg/Sachsen

Die Wahl des Termins für die Freiberger Recycling-Konferenz am 12. Oktober 2021 erwies sich als Glücksumstand, denn trotz der noch immerwährenden Corona-Pandemie konnte sie als Präsenzveranstaltung abgehalten werden. Über 50 Teilnehmer aus Behörden, Unternehmen, Ingenieurbüros und Hochschulen nahmen die Gelegenheit wahr, sich über die Entwicklung der Deponiesituation vornehmlich in Sachsen und über neue Verwertungsmöglichkeiten von Abfällen zu informieren. Leider nahmen Vertreter aus den politischen Gremien die Einladung nicht wahr. Wenngleich der Schwerpunkt der Veranstaltung auf Sachsen liegt, dürften die Beiträge von allgemeinem Interesse für die Branche sein, sodass hier darüber berichtet wird.

In seinem Einführungsvortrag betonte der Geschäftsführer des FIRE e.V. Dipl.-Ing. Stefan Grunig „dass wir in einer Zeit leben, in der Anspruch und Realität immer weiter auseinanderklaffen“ und nannte im Abfallbereich dafür als Beispiele die Zero-Waste-Bewegung und das recyclinggerechte Konstruieren. Die Auffassung wurde im Laufe der Veranstaltung mehr als bekräftigt. Er konstatierte, dass nicht alle Abfälle vollständig recycelbar sind und selbst hochwertige Recyclingprodukte nicht bzw. nur teilweise vom Markt angenommen werden, so dass Ablagerungsmöglichkeiten weiterhin notwendig sein werden. Die Abfallströme steigen weiter an, nicht zuletzt durch den rasanten Zuwachs des Onlinehandels mit seinen enormen Mengen an Umverpackungen und Füllmaterial. Steigende Abfallmengen führen auch immer zu einem stärkeren Input für die Verbrennungsanlagen. Indes sind es vor allem Umweltverbände, die nach wie vor die Zero-Waste-Route präferieren und weder Verbrennungskapazitäten noch Deponien im Hinblick auf die neue Gesetzeslage (MantelV) realistisch bewerten. Sehr kritisch setzte sich Herr Grunig mit einigen gesetzlichen Regelungen und ihrer praktischen Umsetzung auseinander, wie z. B. mit dem § 28 KrWG-Produktverantwortung oder der seit vielen Jahren gesetzlich verankerten Getrenntsammlung von Bioabfall, aber auch den neuen Regelungen in der EBV mit strengeren Grenzwerten und der dadurch bedingten Verminderung von Entsorgungsmöglichkeiten (Deponiebaustoffe). Ein weites Feld, das Herr Grunig mit vielen Beispielen und Fehleinschätzungen der Vergangenheit untersetzte und damit – nach einem Dank an die Referenten, Sponsoren und Teilnehmer – die Tagung eröffnete.

Impulsvorträge

Moderiert von Frau Prof. Dr. Cristina Dornack, TU Dresden wurden in drei Referaten allgemein interessierende Themen behandelt:

Die Fortschreibung des Abfallwirtschaftsplanes des Freistaates Sachsen (Dr.-Ing. Erik Nowak SMEKUL Dresden, Referat Wertstoffwirtschaft)

Verwertung von bergbaufremden Abfällen in sächsischen Tagebauen im 21. Jh. – ein nachhaltiger Green-Deal (Ralph Weidner, SMWA, Referat Bergbau und Ressourcen)

Bewertung des Einbaus bergbaufremder Abfälle zur Rekultivierung von Tagebaurestlöchern im Braunkohlenbergbau (Dr.-Ing. Karsten Menschner, CDM Smith, Leipzig)

Alle drei Vorträge zeigten einerseits den kritischen Umgang mit der verabschiedeten MantelV, die noch viele Unzulänglichkeiten aufweist, andererseits aber auch angedachte euphorische Ziele, beispielsweise nach wie vor die Förderung von Zero-Waste-Konzepten der ÖRE (Öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger) durch Abfallvermeidung und Vorbereitung zur Wiederverwertung. Allerdings wird die Durchsetzung eines verwertungsgerechten Produktdesigns in der globalen Wirtschaft als kaum durchsetzbar eingeschätzt. Die Deponiekapazitäten werden als ausreichend beurteilt, was in der Diskussion unter dem Aspekt der neuen Gesetzeslage stark hinterfragt wurde. Neben den üblichen unkonkreten Vorsätzen, das höherwertige Recycling und den Einsatz von Rezyklaten zu fördern, für die Abfälle zur Beseitigung entsprechende Kapazitäten bedarfsgerecht zu entwickeln und zu nutzen, wurde konstatiert, dass die Entsorgung innerhalb Sachsens nach dem Grundsatz der Autarkie und Nähe langfristig gewährleistet ist.

Im Beitrag von Herrn Weidner, wurde die Diskrepanz zwischen verfügbaren Materialmengen (Boden- und Baggergut zur Verfüllung, Beton, Ziegel, Keramik zum Einsatz für Bergbau- und betriebstechnische Zwecke) und Hohlraumvolumina mit Zahlen belegt. Letzteres ist nach heutigem Stand außerordentlich groß, und damit sind Verwertungskapazitäten noch langfristig (≥ 42 a) vorhanden. Dagegen ist die jährlich verwertete Menge eigentlich zu gering, um die Verpflichtungen zur Wiedernutzbarmachung zeitnah erfüllen zu können. „Hinzu kommt, dass als Folge der ständig steigenden gesetzlichen Anforderungen und verschärfenden Beschränkungen bei der Abfallverwertung in den Tagebauen eine Vergrößerung dieses Effektes zu erwarten ist.“

Dr. Meschner stellte eine komplexe Bewertungsmethodik vor, mit der speziell für das Schutzgut Wasser die Eignung und Zweckbestimmung der zugelassenen bergbaufremden Abfälle in Hinsicht auf Erreichen des Sanierungsziels zur Rekultivierung umweltverträglich nachgewiesen wurde. Diese Bewertungsmethode lässt sich auch auf ähnliche Fragestellungen für den umweltverträglichen Einbau von Fremdstoffen zur Wiedernutzbarmachung/Rekultivierung von ehemaligen Tagebauen adaptieren.

Einschätzung der Deponiesituation

In diesem Vortragsblock kamen unter der Regie des Moderators Prof. Alexandros Charitos, TU BA Freiberg drei Referenten zu Wort, die die Thematik aus Sicht eines Abfallerzeugers, der privaten Entsorgungswirtschaft und eines ÖRE darstellten.

So trug GF Gerold Münster, Becker Umweltdienste GmbH über die Bedarfsrechtfertigung bei der Errichtung von Deponien vor und konstatierte, dass dadurch die unternehmerischen Initiative nicht eingeschränkt wird. Seine Begründung dafür: die Planfeststellung ist ein geordnetes Verfahren; die Auslegung der Rechtsprechung stellt klare Leitplanken, die eine überzogene Bedarfsrechtfertigung begrenzen; die Darlegung des Bedarfes stellt eine behördliche Hürde dar, die aber zu bewältigen ist; die Entscheidung über die Bedarfsrechtfertigung unterliegt der gerichtlichen Prüfung mit der Möglichkeit, die behördlichen Entscheidung anzufechten.

GF André Albrecht, ZAW Zweckverband Abfallwirtschaft Westsachsen kam zu dem Fazit, dass die Planung, Errichtung und der Betrieb einer landeseigenen Deponie des Freistaates Sachsen bzw. der mitteldeutschen Länder SN, SA, TH nach dem Vorbild der Deponie Ihlenberg (Landesdeponie MV) unter Beteiligung der ÖRE und der privaten Wirtschaft eine Lösung für die zukünftige Beseitigung nicht verwertbarer mineralischer Abfälle (DK I und DK II) sein könnte.

Sehr eindrucksvoll vermittelte Prokurist Knut Seifert, AMAND Umwelttechnik Lockwitz GmbH & Co. KG seine Erfahrungen zur Thematik „Abfallbasierte mineralische Baustoffe – Theorie und Realität bei ihrem Einsatz“. Die heutige Situation hinsichtlich Baustoffrecycling hat sich in den letzten Jahren trotz mannigfaltiger Aufforderungen durch Politik und Regierung kaum verändert, so dass der Anteil recycelter Baustoffe am Gesamtbaustoffaufkommen noch immer nur bei 11 – 13 %, nach Ansicht des Referenten sogar nur bei 5 % liegt. Dabei ist der Absatz von sauberen beton- oder ziegelbasierten Splitten in der Regel kein Problem. Bei deren Produktion entsteht aber stets ein beachtlicher, heute kaum vermarktbarer Anteil an Sanden (etwa bis 4 mm), bei Beton etwa 40 %, bei Ziegeln etwa 50 – 60 %. Nicht vermarktbar sind auch aus vermischtem Bauschutt hergestellte Splitte, die überwiegend in übertägigen Gruben „verwertet“ werden. Ausführlich ging der Referent auf die Gründe für die Behinderung und Ablehnung des Einsatzes von RC-Baustoffen ein (keine anforderungsgerechten öffentlichen Ausschreibungen, obwohl dazu verpflichtet; Misstrauen und keine Akzeptanz gegen und von allem, was einmal Abfall war, wobei die Öffentlichkeit dazu veritable Beiträge liefert; ungenügende Anwendung der bereits bestehenden Gesetze wie z. B. § 10 Sächs. KrWBoSchG/§ 45 KrWG). Kritisch erörterte Herr Seifert auch die neue EBV und bemängelte vor allem die darin enthaltene Länderöffnungsklausel, die wieder ein Abweichen von den endlich mit der verabschiedeten MantelV fixierten bundesweiten Regelungen ermöglicht. Seine Forderung: Schaffung klarer Regelungen, ohne Hintertüren bezüglich Kommunikation und Vollzug für Behörden sowie Produzenten und Anwender.

Ziel und Anspruch aller Beteiligten sollte sein „mit einer einheitlichen Sprache alle RC-Produkte/Ersatzbaustoffe als gleichwertigen Baustoff zu definieren, um endlich aus der negativen Ecke des Begriffes Abfall herauszutreten.“

Um konkrete Verwertungsmöglichkeiten von mineralischen Abfällen ging es in den nächsten drei Beiträgen. Als perfekte Recyclinganlagen mit funktionierenden Stoffkreisläufen bezeichnete Frau Dipl.-Ing. Elke Radke, BVDG Düsseldorf die deutschen Gießereien, in denen 90 % des Inputs aus Schrotten bestehen. In ihrem Beitrag beschäftigte sie explizit die Frage: „Ist Gießereisand wertloser Abfall oder wertvoller Rohstoff?“ Heute erfolgt eine Kreislaufführung von 95 %. Aber selbst die übrigen 5 % (2,2 Mio.t) werden extern zu 53 % auf Deponien verwertet. Ziel ist eine qualitativ höhere Verwertung, die aber durch neue EBV mit ihren strengeren Regelungen stark in Frage gestellt ist. Abnehmende Deponiekapazitäten und längere Wege bewirken ein Übriges. Ob Bioleaching ein potenzieller Lösungsweg sein kann, wird derzeit untersucht, zweifellos ist dies mit zusätzlichen Kosten verbunden.

Dipl.-Ing Weißpflog, SRW metalfloat GmbH Espenhain berichtete über „Probleme der Entsorgung von Rückständen der Metallaufbereitung“ und hatte dabei speziell die Shredder-Rückstände der Altfahrzeugverwertung im Fokus. Problemstoffe sind die heizwertreiche Leicht- (SLF), aber auch die Schwerfraktion (SSF) mit etwa 30 000 bzw. 70 000 t/a sowie die mineralischen Rückstände mit 60 000 t/a. Für die Letztgenannten sind Deponien DK II und DK IV erforderlich. Auf der Grundlage einer Studie zu Deponiekapazitäten wies der Referent auf die prekäre Lage bei der Entsorgung dieser Problemstoffe wegen des endlichen verfügbaren Deponieraums und der steigenden Entsorgungskosten hin. Weitere Schwierigkeiten dürften sich durch die steigende Verwendung von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen in der Automobilindustrie ergeben, die ebenfalls Problemstoffe darstellen.

Beispiele für neue Verwertungsmöglichkeiten

Unter dieser Thematik stellte Dr -Ing. Axel Zentner, TU Dresden dar, welche Herausforderungen für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft durch innovative Werkstoffe im Bauwesen bestehen. Auch er beschäftigte sich mit den Auswirkungen der ManteV, die neben der positiven Seite – Ermöglichung einer einheitlichen Bewertung – etliche Nachteile mit sich bringt, wie z. B.: Verringerung der Rezyklat-Mengen, entsprechend eine Steigerung der zu deponierenden Mengen, dadurch eine zusätzliche Verknappung von Deponievolumen, eine zusätzliche Flächeninanspruchnahme, erhöhte Transportaufwendungen, eine Verminderung der Recycling- und Substitutionsquote sowie eine Rohstoffverknappung. Im Rahmen der an der TU Dresden entwickelten Strategien zur Verminderung des Verbrauchs an Rohstoffen wurden zwei Projekte vorgestellt:

Integriertes Konzept für mineralische Abfälle und Landmanagement zur nachhaltigen Entwicklung von Stadt-Land-Nutzungsbeziehungen (BMBF-Verbundvorhaben), Laufzeit: 02/2020 –01/2023 (+2 Jahre)

Wir recyceln Fasern (ebenfalls ein BMBF-Verbundvorhaben) innerhalb der Fördermaßnahme „Wandel durch Innovation in der Region“, in dem man sich mit Carbonfasern und Carbonbeton sowie ihrer Recyclingfähigkeit beschäftigt

Ein schönes Beispiel für die Verwertung eines Reststoffes aus dem Glasrecycling zu Leichtbaustoffen demonstrierte Dr.-Ing. Marc Lüpfert, TU BA Freiberg. In Deutschland fallen etwa 60 000 t/a Reststoffe des Glasrecycling (Keramik, Steine Porzellan = Fraktion KSP) an. Durch Versuche im Labormaßstab und anschließendes Up-scaling bis zum industriellen Maßstab konnte nachgewiesen werden, dass es möglich ist, die KSP-Fraktion so aufzubereiten, dass Blähglas hergestellt werden kann. Durch Zuschläge können die Eigenschaften noch verbessert werden. Ein Austausch von Blähton gegen Blähglas in Leichtbeton ist technisch möglich. Es kann u. a. eine bessere Wärmedämmung durch Leichtbeton mit Blähglas bei gleicher Festigkeit erzielt werden. Eine weitere Anwendung ist im Brandschutz denkbar.

Den Abschluss bildete der hochinteressante, spannende Beitrag von Dr.-Ing. Hans-Georg Jäckel, TU BA Freiberg über „Abfälle der Energie- und Mobilitätswende – Zukünftige Recyclingprodukte mit kritischen Inhalten zur Wiederverwertung und Entsorgung“. Es wäre ein Vortrag für die politisch Verantwortlichen in unserem Land, um auf den Boden der Realität zu gelangen, selbst wenn manche Daten extrapoliert wurden und Annahmen unausweichlich in solche Betrachtungen einfließen. Anhand von vielfältigem Zahlenmaterial zeigte Dr. Jäckel sehr eindrucksvoll, was es bedeutet, in Deutschland das anspruchsvolle Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050, möglichst 2038 durch die vorgesehene Energie- und Mobilitätswende sowie die Wende im Bauwesen zu erreichen. Neben der Darstellung der neu zu installierenden Windenergie- und Photovoltaikanlagen befasste sich der Referent auch mit den durch Rückbau und Abriss der alten Anlagen (KKW, BKW, SKW) bedingten Abfallmengen und -qualitäten, deren Verwertung zumindest bei den KKW-Abfällen bzw. Deponierung auf größte Akzeptanzprobleme stößt. Weitere Schwerpunkte seiner Betrachtungen waren neue Abfälle aus dem Baustoffwesen und Mobilität einschließlich Carbonbeton und Li-Ionenbatterien und die mit ihnen verbundenen Herausforderungen bei der Verwertung, da zahlreiche neue Werkstoffverbunde und Chemismen mit extrem energieaufwändigen Recyclingtechniken erforderlich sind. Sein Fazit: die Konzeption der Energiewende erfolgte bisher ohne Berücksichtigung der Recycling- und Entsorgungskosten, sie ist aber dringend erforderlich, sonst erscheint die CO2-Einsparung illusionär und dürfte bei Energiemangel nicht erreichbar sein.

Als Resümee der Veranstaltung ist zu konstatieren, dass in den Beiträgen immer wieder gezeigt wurde, dass wir vor einer Industriewende stehen, für die es nicht nur gilt, gesetzliche Rahmenbedingungen festzuschreiben, sondern gleichermaßen Forschung und Entwicklung zu betreiben, um wirtschaftlich gangbare Lösungen zu finden und nicht in Wunschvorstellungen zu enden.

Die nächste Veranstaltung ist für 2023 geplant.

 

Author/Autorin:

Dr. Brigitte Hoffmann, Consulting Kreislaufwirtschaft/ Umweltschutz, Oberschöna/Deutschland

https://fire-ev.de/

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