Verschmutzung der Ozeane

Innovatives Reinigungsschiff befreit das Meer von Plastikmüll

Türkis schimmerndes Wasser, weiße Sandstrände und wehende Palmen:

die indonesischen Inseln gehören zu den Traumzielen vieler UrlauberInnen, Reiseorte wie Bali locken mit malerischen Strandkulissen und einzigartiger Natur. Doch viele kleine Inseln vor der indonesischen Küste sind weit von unberührter Postkartenidylle entfernt. Wo einst Muscheln und Korallenreste angespült wurden, türmt sich heute – anders als noch in den 1970er Jahren – eine Flut

aus Plastikmüll.

Die Umweltschutzorganisation The SeaCleaners arbeitet daran, die Weltmeere vom Plastik zu befreien – mit einer segelnden, fast emissionsfreien Recyclingfabrik.

Zwar kündigten die G-7 zum diesjährigen World Ocean Day mehr Gelder für den Schutz der Ozeane an, doch noch immer gelangen jedes Jahr schätzungsweise 10 Mio. t Plastikmüll in die Meere (Quelle: Plastic Statistics). Setzt sich der aktuelle Trend fort, wird die Menge an Plastikmüll, die die Ozeane verschmutzt, bis 2040 auf rund 29 Mio. t/a ansteigen. Das entspricht 50 kg für jeden Meter Küstenlinie auf der Welt. Die Plastikverschmutzung ist daher laut UN eine der sechs größten Umweltkatastrophen. Etwa 1,5 Mio. Tiere sterben bereits jetzt jedes Jahr an Plastikverschmutzung, 14 000 Arten sind davon betroffen. Rund 90 % der Meeresvögel und 30 % der Fische nehmen während ihres Lebenszyklus Plastik zu sich – und so landet es auch wieder in menschlichen Mägen.

 

Intensive Forschung und Entwicklung für ein zukunftsweisendes Antriebssystem

The SeaCleaners ist der Name einer Meeresschutzorganisation, die mit einem neuen, technischen Ansatz dafür sorgen will, die Müllteppiche aus den Ozeanen abzuschöpfen – ohne dabei die Umwelt zusätzlich zu belasten. Die Vision: Ein Schiff, das die Meere vom Plastikmüll befreit und dabei keine neuen Emissionen produziert. Der Name: Manta – abgleitet von den riesigen Mantarochen, die lautlos durch die Meere gleiten.

Die Idee wurde bereits vor vielen Jahren geboren und The SeaCleaners lassen sie seit ihrer Gründung 2016 Stück für Stück mit Hilfe von Spendern, Sponsoren und einem internationalen Team Wirklichkeit werden. 58 Ingenieure, Techniker und Forscher, 5 Forschungslabore, 17 Partner und Auftragnehmer arbeiteten ab 2018 an der Detailkonstruktion und den Bordtechnologien des Manta. Nach drei Jahren und 45 000 Stunden intensiver Forschung und Entwicklung stand das Konzept für das 56,5 m lange, 26 m breite und 1600 t schwere Schiff – ein gigantischer Katamaran, dessen Technik den nicht mehr recycelbaren Meeresmüll für den eigenen Antrieb nutzt, ihn aus dem Meer fischt, sortiert und per Waste-to-Energy Anlage verwertet. Ein Modell, das Vorbild für künftige Schiffsgenerationen werden könnte – ein Schiff, das die Meere reinigt, ohne die Umwelt selbst zusätzlich zu verschmutzen.

Für die Ingenieure bedeutete dabei vor allem das Antriebskonzept eine besondere Herausforderung innerhalb des ambitionierten Projekts. Der Doppelrumpf-Katamaran soll seinen Vortrieb durch ein ausgeklügeltes Zusammenspiel verschiedener erneuerbarer Energiequellen erhalten. Dazu gehören nach aktuellem Planungsstand rund 450 m² Solarpaneele an Deck, zwei Windturbinen und Hydro-Generatoren sowie zwei große Hauptsegel, die sich automatisch in den Wind drehen. Unterstützt wird das Gesamtsystem durch einen eigens entwickelten Hybridmotor, der auf hoher See zwei Schiffsschrauben antreibt. Eine spezielle Waste-to-Energy Anlage speist das System zusätzlich.

Die Segel sind der wichtigste Antrieb des Manta und helfen den Energieverbrauch des Katamarans, den CO2-Ausstoß und die Betriebskosten zu minimieren. Der Manta kann mindestens drei Viertel der Zeit ohne den Einsatz fossiler Brennstoffe betrieben werden und ist damit das erste Arbeitsschiff mit einem so hohen Grad an Energieautonomie. In Übereinstimmung mit den internationalen Vorschriften zur Gewährleistung der Sicherheit der Besatzung ist der Manta nur noch mit zwei Notfall-Dieselmotoren ausgestattet, die das Manövrieren in für die Besatzung gefährlichen Situationen und die Rückkehr in einen Hafen bei niedriger Geschwindigkeit gewährleisten.

 

Einsammeln der schwimmenden Abfälle

Der Manta soll sich auf dem offenen Meer mit seinen alternativen Energiequellen mit einer durchschnittlichen Leistung von 6 Knoten und Spitzengeschwindigkeit von 12 Knoten bewegen können und über einen Interaktionsradius von 3500 Seemeilen (6500 km) verfügen. Ist das Schiff an seinem Einsatzort angekommen, wird das Tempo auf 2 bis 3 Knoten gedrosselt.

Durch das Ausfahren der am Heck befindlichen Netze wird im Einsatzgebiet die Breite des Mantas auf 46 m fast verdoppelt. Dabei kommt das Schiff auf eine Sammeltiefe von einem Meter. So können schwimmende Abfälle in den Netzen gesammelt werden. Die Oberflächensäuberung ermöglicht es, zwei Erfordernisse miteinander zu kombinieren: Zum einen sind die schwimmenden Gegenstände an der Oberfläche noch nicht fragmentiert und zu Mikroplastik zerfallen. Zum anderen sind es vor allem Einwegkunststoffe, die an der Meeresoberfläche treiben und die eine geringe Recycelfähigkeit, aber einen sehr langen Abbauzeitraum aufweisen.

Neben den Schleppnetzen, die nur in Gebieten zum Einsatz kommen dürfen, in denen auch Schleppnetzfischerei erlaubt ist, werden in Ergänzung sogenannte Sammelmatten verwendet. Dieses System ist zwischen den Rümpfen des Katamarans angebracht und transportiert die Plastikteile permanent an Deck. Damit kann ein Großteil des Plastiks direkt geborgen werden. Sollte es dennoch Teile geben, die zu sperrig oder zu schwer für die Netze und Matten sind, kann die Crew des Manta noch zwei an Deck montierte Kräne einsetzen.

Einmal aus dem Meer geholt, werden die Plastikteile über Förderbänder zur Sortierung transportiert. Unterschieden wird zwischen drei Arten von Abfall: dem nicht mehr recyclingfähigen, aber noch energetisch verwertbaren Kunststoff, stofflich recycelbaren Materialien (wie z.B. Metalle) und dem nicht mehr nutzbaren Restabfall. Letztere werden in verschiedenen Zwischenlagern bis zum nächsten Stopp in einem Hafen aufbewahrt, und dort fachgerecht recycelt oder entsorgt. Um möglichst effizient und flexibel zu arbeiten, ist der Manta mit zwei Hilfsbooten ausgestattet. Dabei handelt es sich um die eigens entwickelten Typen Mobula 8 und Mobula 10. Die kleineren Sammelboote mit einer Länge von etwas über 9 m und einer Sammelkapazität von 8 m³. Haupteinsatzgebiet sind Flussmündungen und Mangrovengebiete, in die der Manta aufgrund seiner Größe selbst nicht einfahren kann. Im Verbund können Manta und Mobula so eine tägliche Sammelkapazität von bis zu 72 t Abfälle schaffen.

Pro Jahr kann allein das Hauptschiff bis zu 10 000 t Abfälle ab einer Größe von 10 mm und bis zu einer Sammeltiefe von einem Meter unterhalb der Wasseroberfläche aus dem Meer sammeln. Dabei kommt der Manta durch seine hohe Energieautonomie auf 300 Betriebstage auf dem Meer pro Jahr – auch damit liegt er im Vergleich zu anderen Reinigungsschiffen weit vorn.

 

Waste-to-Energy Unit verwertet den nicht mehr recycelbaren Meeresmüll

So wie Riesenmantas mit offenem Maul schwimmen und das Wasser filtern, um Plankton, Quallen und andere Krustentiere zu verschlucken, verschluckt der Katamaran Manta auf dem Meer treibenden Plastikabfall, um seine Antriebsausrüstung zu versorgen und seine Reinigungsmissionen durchzuführen.

Zwischen den Rümpfen, unter der Schiffsplattform, befinden sich schräg angebrachte Sammelbänder, die den Meeresmüll in den Rumpf des Schiffes zur Sortieranlage befördern. Dort wird er manuell in die Fraktionen Metall/Glas (noch recycelbar), Kunststoffe (aufgrund des Salzwassers in der Regel stofflich nicht mehr recycelbar) und Restmüll (muss entsorgt werden) getrennt. Organische Materialien, wie Holz und Algen, werden dem Wasser wieder zugeführt.

Die gesammelten verwertbaren Plastikteile werden nach dem Sortieren für die anschließenden Arbeitsschritte vorbereitet. Die Kunststoffabfälle werden zerkleinert und verdichtet, um ihre Energieeffizienz zu erhöhen. Bei diesem Pelletierprozess wird das Material geschreddert, um seine Energieeffizienz im weiteren Prozess zu erhöhen. Die Plastikpellets werden dann in der Waste-to-Energy Einheit an Bord direkt energetisch verwertet. Ziel ist es, so viel Energie wie möglich zum Vortrieb des Schiffes aus dem nicht mehr recycelbaren Meeresmüll aus Plastik zu gewinnen. Die Größe der einzelnen Komponenten wird so bestimmt, dass der Platz im Rumpf des Schiffes optimal ausgenutzt wird.

The SeaCleaners setzen bei der Waste-to-Energy-Unit darauf, das zugeführte Plastik in drei verschiedene Komponenten chemisch-thermisch zu spalten. Hauptsächlich entsteht dabei zu 90 % ein Synthesegas. Dieses Gas kann mittels einer Verbrennungsanlage und einer Turbine Strom erzeugen. Hierbei entstehen deutlich weniger Emissionen als beim Einsatz von Schiffsdiesel. Zudem werden die entstehenden festen Rückstände, die 5 – 10 % des verarbeiteten Kunststoffs ausmachen, eingelagert und an Land weiterverarbeitet, zum Beispiel im Bitumen für den Straßenbau. Rest-Emissionen werden nach den strengen Vorschriften der EU gefiltert und aufbereitet. Das dritte Produkt sind Wärmeemissionen, die zum Beispiel für den Heizbedarf an Bord genutzt werden.

Alles, was nicht sofort in der Pyrolyse verarbeitet werden kann, wird an Bord aufbewahrt – vor allem Metalle, die an Land stofflich recycelt werden sollen. Insgesamt verfügt der Manta über 206 m³ Staufläche unter Deck und in den Big Bags. Umgerechnet beträgt das Fassungsvolumen so ca. 50 t. Dazu kommen zwei Sammelcontainer mit einer jeweiligen Größe von 33 m³. Diese sind für Fischernetze und für gefährliche Abfälle vorgesehen, die nicht recycelbar sind. Bei einer Mission, die sich über 3 Wochen erstreckt, sollen ca. 1260 t Plastikabfälle verwertet werden.

Die maximale Einsatzdauer des Mantas beträgt 20 h/d. Um diese so effektiv wie möglich nutzen zu können, wird auch auf modernste technische Lösungen von Partnern gesetzt. Dafür wurde zusammen mit CLS (Collecte Localisation Satellites) die satellitengestützte Müllerkennung weiterentwickelt. Durch Satellitenbahnen, die im Einsatzgebiet ausgelegt werden, kann so genau bestimmt werden, wie sich eine Müllansammlung im Meer bewegt und wie der Manta am effektivsten in diese Gebiete vorstoßen kann.

 

Schwimmendes Forschungslabor

Forschung und Weiterentwicklung sind ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes. Neben dem Aspekt der Meeresreinigung soll das Schiff eine eigene Forschungsstation beherbergen. Der Manta bietet einer Besatzung von bis zu 34 Personen Platz. 22 davon sind für den Betrieb und die Wartung der Anlagen notwendig, 12 weitere Plätze können mit Gästen sowie internationalen Teams aus Forschern und Wissenschaftlern belegt werden. Diese können in einem voll ausgestatteten Labor arbeiten und weitere Erkenntnisse über die Auswirkungen der Meeresverschmutzung auf den Menschen sammeln – oder ihre Beobachtungen zum Strömungsverhaltensweisen von Plastikobjekten auf See vertiefen. Dabei verfolgen The SeaCleaners einen „open data“ Ansatz.

Der Meeresschutzorganisation ist es wichtig, dass der Manta auch eine Art Fortbildungsschiff ist und Vorbildfunktion hat. Dafür gibt es ein eigens entworfenes Bildungsmodul. Dies ist während der Hafenaufenthalte für die Öffentlichkeit zugänglich und soll mit Hilfe von Informationsmaterial die Menschen für einen nachhaltigeren Umgang mit dem Meer sensibilisieren und über die Folgen einer Vermüllung der Ozeane aufklären. Auch verschiedene Möglichkeiten, durch Projekte selbst etwas gegen Plastikmüll zu tun, sollen hier dargestellt und gefördert werden. „Die Ozeane sind ein lebenswichtiger Sauerstofflieferant, ein Klimaregulator, ein nahrhaftes ‚Meer‘, ein Garant für unsere Gesundheit, ein Spielplatz und eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration“, so Valérie Amant, Sprecherin von The Seacleaners. „Aber heute sind sie in großer Gefahr. Millionen Tonnen Kunststoff werden jedes Jahr in die Ozeane gekippt. Unser Ziel ist es, die Abfälle auf See zu sammeln und zur Bewusstseinsbildung in den Entwicklungsländern beizutragen, dass die Ozeane eine unserer wichtigsten Lebensgrundlagen sind.“

Natürlich weiß das Team von The SeaCleaners, dass sich das Problem der Meeresverschmutzung nicht mit einem Boot lösen lässt, aber der Prototyp dieses neuartigen Reinigungsschiffes soll ein Anfang sein und Nachahmer finden. Das Beiboot des Manta sticht dieses Jahr in See, 2025 soll dann der Manta selbst vom Stapel laufen. Und der erste Einsatzort steht auch schon fest: Die Gewässer um die indonesischen Inseln.

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