Mit Online-Inbetriebnahme schnelle Hilfe in Zeiten von Corona
Mit den Auswirkungen von Covid-19 hatte vor Ausbruch der Pandemie wohl kaum jemand gerechnet – weder ein Hersteller von Ersatzbrennstoffen aus der Slowakei noch ein Recycling-Unternehmen aus Estland. Beide hatten bei Vecoplan Zerkleinerer bestellt. Die Shredder wurden pünktlich geliefert. Doch dann kamen die Corona-bedingten Einreisebeschränkungen. Die Service-Abteilung unter der Führung von Jochen Pfeil entwickelte kurzerhand ein Konzept für eine Online-Inbetriebnahme und bot diese den Kunden an – mit Erfolg und Potenzial für die Zukunft.
„Corona hat uns vor so einige Herausforderungen gestellt“, denkt Jochen Pfeil über die vergangenen Monate nach. Er ist der Geschäftsbereichsleiter für Service und somit verantwortlich für den kompletten Aftersales bei der Vecoplan AG aus Bad Marienberg im Westerwald. Das Unternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Maschinen und Anlagen, die Primär- und Sekundärrohstoffe im Produktions- und Wertstoffkreislauf zerkleinern, fördern und aufbereiten. Dabei kann es sich um technische Kunststoffe handeln, die fest, zäh oder hoch temperaturbeständig sind, um vorzerkleinerte Biomasse, die am Ende frei von Störstoffen und homogen sein soll, oder um Abfälle aus kommunalen Mülldeponien, die anschließend als alternative Brennstoffe für die Zementindustrie zum Einsatz kommen. Doch nicht nur Pfeil wurde von der Pandemie überrascht, auch viele seiner Kunden – unter anderem die Ecorec Slovensko s.r.o. aus Pezinok in der Slowakei, die rund um die Uhr an sieben Tagen die Woche Ersatzbrennstoffe aufbereitet. Der Hersteller beauftragte Vecoplan mit der Lieferung eines Vorzerkleinerers der Baureihe VEZ 2500 TV sowie zwei Nachzerkleinerern aus der Serie VEZ 2500 T. Zu den Kunden gehört ebenso Weerec Oü aus Kiiu in Estland. Das Unternehmen bereitet Kunststoffe wie PE oder PP aus Haushalts- oder Gewerbeabfällen auf. Vecoplan lieferte einen Shredder der Baureihe VIZ 1300 T. Diese Maschine kam 2019 auf den Markt und eignet sich für nahezu alle Input-Materialien aus Kunststoff. Was beide Firmen eint? Sie haben Vecoplan auch mit der Installation und Inbetriebnahme vor Ort beauftragt.
Und dann kamen die Einreisebeschränkungen
Die Maschinen kamen pünktlich in Estland und der Slowakei an. Als es dann um die Montage und Inbetriebnahme ging, machte Corona dem Service-Team einen Strich durch die Rechnung. „Wir konnten wegen den Einreisebeschränkungen nicht zu den Kunden reisen“, erzählt Jochen Pfeil. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Patrick Kessler und Markus Fritz, Leiter bzw. Supervisor Inbetriebnahme, überlegten sie, wie sie trotzdem schnell unterstützen können. „Wir fragten unsere Kunden, ob sie sich eine Online-Inbetriebnahme vorstellen könnten“, berichtet Fritz – für die drei Vecoplan-Fachleute eine Premiere.
Veikko Simon, Produktmanager bei Weerec Oü, war davon sofort begeistert, schließlich sei dies wohl die einzige Möglichkeit in der Pandemie. Auch Lukáš Hulej von Ecorec sah darin eine Chance, die Maschinen schnell zum Laufen zu bringen. „Wir haben im Vorfeld die kundenseitigen Elektriker gebrieft“, berichtet Pfeil. „Sie müssen natürlich über ein ganz bestimmtes Know-how verfügen, dafür haben wir einen Anforderungskatalog ausgearbeitet“, ergänzt Kessler.
Unter Anweisung der Vecoplan-Techniker wurden vor Ort Kameras aufgebaut. Über Apps und Videokonferenzen konnten die Mitarbeiter aus Bad Marienberg den Elektrikern virtuell über die Schultern schauen und sie bei jedem Schritt, der zu einer erfolgreichen Inbetriebnahme führt, begleiten. „Von den Installationen bis zu den Tests instruierten wir alle Aufgaben von der Zentrale aus“, erklärt Kessler.
Keine Verständigungsschwierigkeiten
Anweisungen übermittelte das Service-Team über Kamera und Mikrofon. Patrick Kessler erinnert sich: „Auch wenn die Mitarbeiter vor Ort die erforderlichen Kenntnisse mitbrachten, wir mussten trotzdem hin und wieder ins Detail gehen. Wir sind in Bad Marienberg aber international und damit in Sachen Fremdsprachen gut aufgestellt.“ In mehreren Schritten wurden die Anlagen und das erforderliche Equipment aufgebaut. Bei Weerec in Estland installierten die Service-Techniker zusammen mit dem neuen VIZ Kunststoffzerkleinerer zudem das Vecoplan Smart Center (VSC). Dieses neue leistungsstarke Digitalisierungskonzept bietet mit dem VSC.connect eine moderne Kommunikationsschnittstelle zwischen Vecoplan und der Kunden-Anlage. Der Anwender kann auf Leistungen wie Remote-Service oder auch Dokumentenmanagement zugreifen. Das integrierte und intuitive Bedienpanel VSC.control dient dabei als Kommunikationsmedium für die Steuerung der Maschine, und ist zudem die Verbindung zu Vecoplan. „Wir konnten uns auf die Steuerung und die Visualisierung schalten und so parallel zur Inbetriebnahme jeden Schritt verfolgen“, erklärt Pfeil.
Mit voller Zufriedenheit
Qualitätsunterschiede? Der Servicebereich sieht gerade in den geringeren Reisezeiten und somit einhergehend in den geringeren Reisekosten für den Kunden einen klaren Vorteil. Außerdem müssen keine etwaigen Einreisebeschränkungen mehr beachtet werden. Was sie ebenfalls als klaren Mehrwert sehen: Wenn es irgendwo geklemmt hat, war der Kunde schon vom ersten Tag an in die Lösungsfindung eingebunden. Genau diese Erfahrungen werden ihm bei künftigen Fehleranalysen helfen. Und für Vecoplan selbst? „Mit der Ferninbetriebnahme entfallen nicht nur Reisezeiten, wir können auch unsere Ressourcen besser planen“, sagt Pfeil. „Und der Kunde sieht,welche Möglichkeiten wir auch für den zukünftigen bestmöglichen Support bieten und so Produktionsstillstände minimieren können.“
Lösung mit Potenzial
Kunden sind offener für diese Vorgehensweise geworden. „Aktuell haben wir zwei Online-Inbetriebnahmen im Monat und können schon jetzt auf etwa 25 erfolgreiche Projekte zurückblicken“, ist Kessler zufrieden. Also wird eine Ferninbetriebnahme auch nach Corona ein Thema sein? „Wir werden Online-Inbetriebnahmen als Service Produkt für Maschinen bis zu einer gewissen Größe ins Portfolio aufnehmen. Die Anfragen sind vorhanden und das Kundenfeedback ist positiv. Obwohl sich viele im Vorfeld nicht vorstellen konnten, dass dies so gut funktioniert. Doch der Erfolg gibt uns Recht!“, sagt Kessler. Was also als Premiere – oder Notlösung – in der Pandemie begann, kann sich zum Dauerläufer entwickeln.
Lukáš Hulej von Ecorec aus der Slowakei war mit der Ferninbetriebnahme sehr zufrieden. „Alles lief reibungslos“, sagt er. In Zeiten wie diesen würde er sich wieder für dieses Vorgehen entscheiden, auch wenn er Mitarbeiter von Vecoplan vor Ort doch bevorzugen würde. Einen klaren Vorteil sieht er in der Zeitersparnis. „Die Zusammenarbeit verlief sehr professionell. Eine Online-Inbetriebnahme ist definitiv eine sinnvolle Möglichkeit.“
Auch Veikko Simon aus Estland ist mit dem Projektverlauf glücklich. Es sei in dieser schwierigen Zeit wohl die schnellste und wirtschaftlichste Lösung, sagt er. „Alle Vorbereitungen liefen gut, im Vorfeld bekamen wir sämtliche erforderlichen Unterlagen zugeschickt.“ Er würde sich wieder für diese Herangehensweise entscheiden. Begeistert ist er auch vom VSC, schließlich ist er damit immer mit Vecoplan verbunden – auch von der Ferne aus.