PARFORCE – ein innovatives Verfahren zur
Phosphor-Rückgewinnung
Entsprechend der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung und mit der Novellierung der Abfallklärschlammverordnung im Jahr 2017 hat die Verwertung von phosphorhaltigen Abfällen, vor allem Klärschlämmen und Klärschlammaschen, einen neuen Stellenwert erhalten. In der Vergangenheit hat es auch nicht an Versuchen zur Rückgewinnung des Phosphors aus den genannten Abfällen gefehlt. Zumeist hatten diese jedoch das Ziel, ein Düngemittel für die Landwirtschaft als Recyclingprodukt zu gewinnen, oder aber es fehlte noch die erforderliche Wirtschaftlichkeit. Im vorliegenden Beitrag wird ein innovatives Verfahren vorgestellt, das als Recyclingprodukt die vielseitig einsetzbare Phosphorsäure erzeugt und wirtschaftlich betrieben werden kann. Der Nachweis wurde mit einer kleintechnischen Demonstrationsanlage erbracht. Die Recyclinganlage kann in Klärwerken errichtet und von deren Betreibern zur hochwertigen Verwertung ihrer Abfälle empfohlen werden.
1 Einführung
Phosphor bzw. Phosphat gehört zu den strategischen Rohstoffen – bereits 2014 wurde Phosphatgestein von der EU-Kommission in die Liste der 20 kritischen Rohstoffe der Europäischen Union aufgenommen, und der Bedarf ist allein durch den drastischen Anstieg der Weltbevölkerung enorm gestiegen. Die Vorkommen sind auf wenige Länder begrenzt: rd. 80 % liegen in Marokko, der Westsahara, in China, Südafrika und Jordanien wie es auch die jüngsten Zahlen der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zeigen (Bild 1). Dabei ist die Förderung vor allem auf China, USA, Marokko und Tunesien konzentriert; in Europa gibt es so gut wie keine Vorkommen (Bild 2). In der letzten Dekade hat China die bisher größten Produzenten an Phosphatgestein USA und Marokko überholt und 2016 seinen Marktanteil an der Bergwerksförderung auf 56 % erhöht [1].
Ohne Phosphor ist Leben undenkbar: keine Pflanze kann ohne dieses Element wachsen, kein Mensch leben. Im Mittel enthält der menschliche Körper 0,7 kg Phosphor, den er mit der Nahrung aufnimmt. Er befindet sich im Wesentlichen in den Knochen und Zähnen als Hydroxylapatit – Ca5[OH(PO4)3] – aber auch in der Erbsubstanz, im Blut und im Gewebe. Heute werden weltweit 90 % des Phosphors für die Düngemittelproduktion (weltweit 42 Mio. t/a Phosphatdünger) eingesetzt [2], und das umso mehr, als dass sein Anwendungspotenzial durch den Anbau von Pflanzen für Biokraftstoff stark erweitert wurde. Aber auch andere Einsatzgebiete sind wichtig, wie beispielsweise zur Herstellung von Stahl und Legierungen, für Pflanzenschutzmittel, Lebens- und Futtermittel, Flammschutzadditive und zahlreiche andere Spezialprodukte [3]. Insgesamt werden jährlich rund 530 000 t Phosphor nach Deutschland importiert, davon etwa 63 % für Düngemittel, ca. 20 % für Futtermittel und etwa 6 % für Lebensmittel [4, 5]. Die statische Reichweite der Phosphat-Reserven wird derzeit mit rd. 300 Jahren angegeben [6, 7].
Damit ist die Rückgewinnung von reiner Phosphorsäure aus Klärschlamm und anderen phosphathaltigen Abfällen – wie mit dem PARFORCE-Verfahren realisiert – für bestimmte Anwendungen wesentlich vorteilhafter, als lediglich wieder ein Düngemittel zu erzeugen. Außerdem sind die entsprechenden Phosphor-Recyclate von der Zulassung nach der Düngemittelverordnung und der Akzeptanz des Marktes abhängig. In Deutschland fallen jährlich etwa 2 Mio. t Klärschlamm (Trockensubstanz) in rd. 10 000 kommunalen Kläranlagen an [7]. Damit steht ein erhebliches Rohstoffpotenzial zur Verfügung. Gilt es doch, neben der Importabhängigkeit von z.T. geopolitisch instabilen Ländern auch zu bedenken, dass die Qualität der Vorkommen abnimmt und sie immer mehr mit Schadstoffen, beispielsweise Cadmium und Uran sowie seine Nuklide verunreinigt sind [6, 7].
2 Gesetzliche Grundlagen
Klärschlamm und andere phosphorhaltige Abfälle als Rohstoffquelle zu nutzen, entspricht den gesetzlichen Vorgaben der Bundesregierung im Kreislaufwirtschaftsgesetz, aber auch entsprechenden Richtlinien der EU. Während aber bis 2016 die Verbringung von unbehandelten Klärschlämmen als Düngemittel auf Feldern unter bestimmten Bedingungen durchaus noch zulässig war, gelten ab 2017 diesbezüglich strengere Regelungen. Der landwirtschaftlichen Verwertung von Klärschlamm und Klärschlammaschen sind nunmehr Grenzen gesetzt, die sich infolge der Novelle der Abfallklärschlamm- (AbfKlärV) sowie der Düngemittelverordnung (DüMV) zukünftig noch stringenter gestalten. Die vom Bundesrat am 17. Mai 2017 verabschiedete AbfKlärV sieht eine Reduzierung der bodenbezogenen Klärschlammverwertung und die Pflicht zur Phosphor-Verwertung für Kläranlagen (KA) ≥ 100 000 EW ab 2029, für KA ≥ 50 000 EW ab 2032 bei freier Wahl des Recyclingverfahrens vor (Bild 3). Damit sind die Kläranlagenbetreiber aufgefordert, rechtzeitig entsprechende Verwertungsmöglichkeiten zu erschließen. Infolgedessen werden innovative Verfahren den Vorzug haben, die direkt in der Kläranlage angewandt werden können, damit Transportkosten einsparen und eventuell zu Verkaufserlösen führen. Anlagen, die für weniger als 50 000 Einwohner ausgelegt sind, wird weiterhin die Möglichkeit eingeräumt, kommunale Klärschlämme unmittelbar zu Düngezwecken einzusetzen. Dies trägt den Besonderheiten ländlich geprägter Regionen Rechnung. Allerdings werden dafür gesetzliche Regelungen für eine Qualitätssicherung geschaffen, die die behördliche Überwachung flankiert. Eine Einführung von Grenzwerten für Uran und andere Schwermetalle ist z. Z. in der Diskussion [8].
Ziel der Novelle ist es, Phosphor direkt aus dem Klärschlamm, aus Klärschlammaschen oder dem Abwasser zurück zu gewinnen. Ausnahmen bestehen für Klärschlämme mit extrem niedrigen P-Gehalten, die aber für eine Phosphorrückgewinnung ohnehin weniger relevant sind.
3 Stand der Technik zur Phosphor-Rückgewinnung
Im Wesentlichen basieren die bisher entwickelten Recyclingverfahren zur Phosphor-Rückgewinnung auf der Nutzung von Klärschlamm oder Klärschlammasche als sekundäre Phosphatquelle. Das enthaltene Phosphat stammt beispielsweise aus Haushalts- und Industrieabwässern sowie Reinigungsmitteln oder pharmazeutischen Reststoffen. Bis 2015 wurden etwa 50 verschiedene Verfahren im Labormaßstab entwickelt, von denen nur wenige im Technikums- bzw. Pilotmaßstab erprobt wurden [9]. Ein umfassender Überblick über die entsprechenden Verfahren, bei denen eine Schadstoffentfrachtung bzw. eine Trennung von Wertstoffen und Schadstoffen stattfindet, und ihre technische Umsetzung ist in [7 und 9] bzw. eine aktuelle Gesamtübersicht in [5] aufgeführt. Zusammenfassend sind die P-Rückgewinnungsansätze in Bild 4 für unterschiedliche Verfahrensgruppen dargestellt. Eine Vorreiterrolle kommt bei den P-Recyclingverfahren den Schweizern zu, die unterschiedliche Verfahren wie Ostara, Seaborn oder Crystalactor entwickelten [11] und beispielsweise im Kanton Zürich 2016 eine zentrale Klärschlammverwertungsanlage im Klärwerk Werdhölzli mit dem Ziel der Phosphor-Rückgewinnung in Betrieb genommen haben [12]. Durch Verbrennung von kommunalem Klärschlamm wie auch in Werdhölzli entsteht eine Asche, die zwischen 10 bis 20 % Prozent Phosphat enthält. Neben dem schwankenden Phosphatgehalt ist die Asche mit Schwermetallen belastet [13]. Das macht die Phosphatabtrennung unter diesen Bedingungen sehr aufwändig. Zudem verbleibt ein hoher Anteil an nicht verwertbaren Rückständen, der derzeit deponiert werden muss. Somit stehen Aufwand und Ertrag bei den derzeit entwickelten Verfahren meist in keinem wirtschaftlichen Verhältnis. Viele Wissenschaftler räumen solchen Verfahren, die nicht die Gewinnung von Düngemitteln zum Ziel haben, wie beispielsweise Bio-Laugung, Ionenaustauscher, Magnetscheidung oder chemische Aufschlussverfahren gegenwärtig keine Chancen ein [z. B. 8]. Es fehlt allerdings nicht an Versuchen, mit den unterschiedlichsten Verfahren die multivalent einsetzbare Phosphorsäure oder reines Phosphat zurück zu gewinnen. Beispielsweise wird im TetraPhos-Verfahren in einem mehrstufigen Prozess Phosphorsäure hergestellt und mit Schwefelsäure das Calcium als Phosphorgips ausgefällt [14]. Als weitere Rückgewinnungsverfahren mit Entwicklungspotenzial, die auf der Aschechemie basieren, sind SeraPlant, PRiL, PYREG und Extraphos zu nennen [15]. Für die Phosphor-Rückgewinnung aus Abwässern der Pharmazie, die etwa 60 g/l Phosphat enthalten, wurde ein Verfahren entwickelt, bei dem reines, verkaufsfähiges Calciumphosphat und gleichzeitig „sauberes“ Abwasser erzeugt wird [16].
Wenngleich also der Hauptteil der Phosphor-Recyclate auch zukünftig für die erneute landwirtschaftliche Nutzung erzeugt wird, lohnt sich nach Ansicht vieler Experten vor dem Hintergrund einer mit Sicherheit vor uns stehenden Verknappung der primären Ressourcen auch ein Blick auf die übrigen Potenziale, um die Reststoffe möglichst vollständig zu nutzen [z. B. 15]. Insofern kommt dem im Folgenden beschrieben PARFORCE-Verfahren eine besondere Bedeutung zu.
4 PARFORCE-Verfahren
Dem Verfahren liegt der Gedanke der Grundstoffgewinnung nach dem Verbundprinzip zu Grunde. Dieser nach Bertau et. al. [17] als Wertstoffchemie bezeichnete Wissenschaftszweig betrachtet die Gesamtheit der herkunftsunabhängigen Verfahren und Methodik zur Erzeugung chemischer Grundstoffe. Die Grenzen zwischen Primär-, Sekundär- und nachwachsenden Rohstoffen werden aufgehoben und die Grenzen der Ressourcenverfügbarkeit durch ganzheitliche Produktionstechniken verschoben.
Für das Verfahren wurden drei Patente angemeldet [18 – 20], von denen bereits zwei offengelegt wurden.
4.1 Einsatzstoffe für das PARFORCE-Verfahren
Prinzipiell kommen für das PARFORCE-Verfahren alle phosphorhaltigen Abfälle in Frage, sofern sie in fester bzw. pastöser Form vorliegen. Besonders geeignet wären Knochenaschen aus Schlachtbetrieben (Tiermehlaschen) wegen ihres hohen Gehaltes an Phosphat (73 – 84 % Calciumphosphat, 2 – 3 % Magnesiumphosphat); ihr Einsatz ist aber aus gesetzlichen Gründen derzeit noch nicht zulässig. Aber auch phosphorhaltige Industrieabfälle, u. a. aus der Lebensmittel-, Automobil- und Pharmaindustrie wie beispielsweise Magnesiumammoniumphosphat (MAP, Struvit) oder Tri- und Dicalciumphosphat-Rückstände (TCP/DCP) aus Klärwerken, phosphathaltige Verbrennungsrückstände und Flugaschen, prinzipiell aber auch Apatit, selbst Leuchtstoffe aus verbrauchten Leuchtmitteln sind anwendbar. Der Vorteil des Einsatzes von Struvit besteht darin, dass dieser Stoff ohnehin im Klärwerk anfällt und damit der Klärschlamm entphosphatiert wird, so dass für seine Verwertung keine Verpflichtung mehr nach AbfKlärV besteht. Es ist davon auszugehen, dass perspektivisch auch Klärschlammasche und Klärschlämme (nach entsprechender Vorbehandlung) eingesetzt werden können.
4.2 Verfahrensgrundlagen und -prinzip
PARFORCE steht für Phosphoric Acid Recovery From Organic Residues and Chemicals by Electrochemistry. Es besteht aus einer Kerntechnologie „PARFORCE-Core“ und – je nach Einsatzzweck und zu verarbeitendem Einsatzstoff – aus einer oder mehreren weiteren vor- oder nachgeschalteten bzw. integrierten zusätzlichen Verfahrenskomponenten (siehe Funktionsprinzip der PARFORCE-Technologie, Bild 5). Dabei handelt es sich um ein nasschemisches Verfahren, bei dem der zu verarbeitende phosphathaltige Primär- oder Sekundärrohstoff in einem Aufschlussreaktor mittels Salz- oder Salpetersäure chemisch aufgeschlossen wird. Je nach Aufgabematerial finden beispielsweise folgende Reaktionen statt:
Ca5(PO4)3(OH) + 10 HCl → 5 CaCl2+ 3 H3PO4 + H2O
oder
Ca3(PO4)2 + 6 HCl → 3 CaCl2 + 2H3PO4
Die Aufschlusssuspension wird im Anschluss filtriert und die in Lösung befindliche Phosphorsäure durch einen Membranprozess (Bild 6) abgetrennt und konzentriert [21]. Mögliche Verunreinigungen des Aufgabegutes verbleiben zum überwiegenden Teil im silikatischen Filterrückstand und können durch Wasser nicht ausgewaschen werden. Damit lässt sich dieser Rückstand unbedenklich in der Bauindustrie als alkalisch aktivierter Binder (Geopolymer) verwenden; die zulässigen Grenzwerte werden eingehalten.
Sowohl aus ökonomischen als auch ökologischen Gründen sind folgende zusätzliche Verfahrenskomponenten vorgesehen:
Integrierte Säurerückgewinnung
Vorgeschaltete Behandlung des Einsatzstoffes
Nachgeschaltete Kristallisation
Es sei noch erwähnt, dass derzeit die Kristallisation von MAP in sehr vielen Kläranlagen oft zu Störungen und Verkrustungen in den Rohrleitungen führt, so dass man es entweder frühzeitig abtrennen muss, oder durch chemische Zusätze zu unterbinden versucht. Betrachtet man aber die MAP-Abscheidung unter dem Aspekt der P-Rückgewinnung, ergeben sich ganz neue Möglichkeiten die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen. Im erweiterten PARFORCE-Ansatz macht man sich die MAP-Kristallisation zu nutze und optimiert die Technologie dahingehend, dass der gesetzliche Grenzwert von 20 g P/kg TS sicher unterschritten wird. Das hat den entscheidenden Vorteil, dass der nach der mechanischen Entwässerung anfallende Klärschlamm keiner Rückgewinnungsverpflichtung mehr unterliegt. Somit muss seine Entsorgung nicht mehr zwingend in einer Monoverbrennungsanlage erfolgen. Der Kläranlagenbetreiber hat damit bei der Wahl des Entsorgungsverfahrens strategische Freiheiten. Entweder kann der bsiherige Entsorgungsweg weiter fortgeführt werden, oder aber der Klärschlamm kann in Mitverbrennungsanlagen, Kohle- oder Zementkraftwerken verwertet werden.
4.2.1 Integrierte Säurerückgewinnung
Diese Verfahrenskomponente kann für alle o. g. Einsatzstoffe angewandt werden. Die als Aufschlusssäure z. B. verwendete Salzsäure wird dabei durch Elektrodialyse zurückgewonnen und im Kreislauf geführt (Bild 7). Neben Phosphorsäure entsteht Kalk, der beispielsweise als Fällungsmittel in der Abwasserbehandlung verwendet werden kann. Da die Elektrodialyse ein sehr energieintensiver Prozess ist, empfiehlt sich das PARFORCE-Verfahren mit integrierter Säurerückgewinnung insbesondere in Bereichen, in denen überschüssige, fluktuierende, vor allem erneuerbare Energie entsteht, beispielsweise aus Windkraft- oder Photovoltaikanlagen, ohne dass sie einer anderweitigen, sinnvollen Verwendung zugeführt werden kann bzw. kostengünstig erzeugt wird. Durch die geringen Anfahr- und Abschaltzeiten sind zudem beim PAFORCE-Verfahren sehr geringe Anforderungen an eine kontinuierliche Energieversorgung nötig.
4.2.2 Vorgeschaltete Behandlung des Einsatzstoffes
Auch diese zusätzliche Verfahrenskomponente lässt sich für alle genannten Einsatzstoffe anwenden. Je nach Aufgabegut kann die Vorbehandlung ein chemisches oder ein thermisches Verfahren sein. Sie wird angewandt, um bestimmte Verunreinigungen vor dem eigentlichen Aufschlussverfahren zu eliminieren und dadurch die Effektivität und Effizienz desselben zu steigern. Dieser zusätzliche Vorbehandlungsschritt lässt sich für bestimmte Einsatzstoffe mit einer Säurerückgewinnung kombinieren. Wird beispielsweise MAP/Struvit, das bei der biologischen Phosphat-elimination in Klärwerken entsteht, als Eingangsstoff eingesetzt, wird durch eine thermische Vorbehandlung bei 500 – 600° C jegliche organische Verunreinigung entfernt. Die Abwärme der thermischen Vorbehandlung wird als Prozesswärme und der dabei entstehende Ammoniak zur pH-Wert-Einstellung direkt im PARFORCE-Verfahren genutzt. Bei MAP/Struvit, das mit Salzsäure aufgeschlossen wurde, entsteht Magnesiumchlorid, das wiederum bei der biologischen Phosphor-Eliminierung als Fällungsmittel eingesetzt wird. Eine Säurerückgewinnung ist in diesem Fall nicht möglich, da die Säure vollständig in das Nebenprodukt überführt wird. Bei der thermischen Behandlung von MAP/Struvit entweicht Ammoniak, der als Ammoniakwasser aufgefangen wird. Es bleibt ein Magnesiumphosphat zurück, das mit Salzsäure aufgeschlossen wird:
Mg3(PO4)2 + 6 HCl → 3 MgCl2 + 2 H3PO4
4.2.3 Nachgeschaltete Kristallisation
Diese zusätzliche Verfahrenskomponente kommt dann zum Tragen, wenn als Aufschlusssäure Salpetersäure zum Einsatz kommt (Bild 8). Hierbei entsteht als Nebenprodukt Calciumnitrat, das als Grundstoff insbesondere bei der Erzeugung hochwertiger Düngemittel verwendet werden kann. Auch in dieser Verfahrensvariante können alle o. g. Primär- und Sekundärrohstoffe als Eingangsstoffe genutzt werden.
5 Errichtung und Einweihung einer kleintechnischen Anlage
Nach den erfolgreichen Versuchen im Labor- und Technikumsmaßstab konnte im April 2017 mit dem Aufbau einer kleintechnischen Anlage in einer Technikumshalle der TU Bergakademie Freiberg begonnen werden. Eine wesentliche Voraussetzung dafür war die Bereitstellung von Fördermitteln durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das den Bau dieser Demonstrationsanlage aus dem Förderprogramm „EXIST – Forschungstransfer“ mit rd. 1,02 Mio. € über eine Laufzeit von zwei Jahren unterstützt. Zusätzliche Mittel in Höhe von 0,26 Mio. € stellte das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst zur Verfügung.
In der zunächst mit einer säurefest ausgekleideten und den vorgeschriebenen Brandschutzmaßnahmen versehenen Halle wurden folgende Anlagenkomponenten installiert und anschließend zum Gesamtanlagenkomplex zusammengeschaltet:
Aufgabebehälter mit Fördersystem und Gaswäscher (Bild 9)
Reaktor für den nasschemischen Aufschluss (Bild 10)
Zentrifuge mit Absetzbehälter für die Filtrat-Nachklärung (Bild 11) (Vertikalzentrifuge zur Entfernung des silikatischen Rückstands)
Elektrodialyse mit Vorlagebehälter und Membranstack (Bild 12)
Vakuumverdampfer-System zur Konzentrierung der Phosphorsäure (Bild 13)
Extraktionsanlage zu Reinigung der Phosphorsäure (Bild 14)
Die Anlage (Bild 15 – Teilansicht) ist mit einer umfangreichen Mess-, Steuer- und Regeltechnik ausgerüstet, für einen Durchsatz von 1 t/d ausgelegt und vor allem als Demonstrationsanlage für potenzielle Betreiber vorgesehen. Sie bestand ihren Testlauf mit Bravour, so dass im Oktober 2017 ihre feierliche Einweihung durch die Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries stattfinden konnte. Anfang Dezember 2017 erfolgte dann die Inbetriebnahme der mit einer Unternehmensausgründung (PARFORCE Engineering & Consulting GmbH) verbundenen Demonstrationsanlage durch Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt. Der Investitionsaufwand für die Anlage betrug etwa 500 000 €.
5.1 Erprobung und erste Ergebnisse
Die Erprobung der Anlage erfolgte zunächst mit Mengen von 50 bis 100 kg Aufgabegut. Die damit erhaltenen Ergebnisse wurden auf 1 t Einsatzstoff hochgerechnet und sind in Bild 16 zusammenfassend dargestellt.
Zunächst ist festzustellen, dass keine Abfälle entstehen. Neben dem Zielprodukt – hochreine Phosphorsäure – werden weitere (Neben)produkte mit Verwertungsstatus – entweder unmittelbar oder nach weiterer Aufbereitung erhalten. Die Ausbeuten sind zufriedenstellend.
5.2 Wirtschaftliche Betrachtungen
Auf Basis der Verfahrensauslegung für die Demonstrationsanlage sind erste Angaben zur wirtschaftlichen Umsetzungsfähigkeit möglich. Für die einzelnen Einsatzstoffe ergeben sich unterschiedliche spezifische Investitionskosten (Bild 17). Ausgangspunkt ist hier eine Klärschlammasche mit einem P/Ca-Verhältnis von 9,3/18,7 (großer blauer Punkt) und einem P-Aufschlussgrad von 90 %. Die hohe Aufschlussrate im PARFORCE-Verfahren resultiert aus der gesetzlich vorgeschriebenen Rückgewinnungsrate von 80 %. Da aber in chemischen Prozessen immer Verluste auftreten, muss von einem deutlich höheren Aufschlussgrad ausgegangen werden. Je geringer der Aufschlussgrad ist, desto geringer sind die Investitionskosten bei gleich bleibendem P/Ca-Verhältnis (kleinere blauen Punkte). Der Grund dafür ist, dass einzelne Anlagenkomponenten, wie die der Elektrodialyse bzw. der Flüssig-Flüssig-Extraktion kleiner ausgelegt werden können. Jedoch sind die Unterschiede in den Investitionskosten bei unterschiedlichen Aufschlussgraden im Vergleich zu einem sinkenden Phosphorgehalt bzw. steigendem Calciumgehalt deutlich geringer. Sinkt der Phosphorgehalt in der Klärschlammasche von 9,3 % auf 6 %, so steigen die Investitionskosten pro Tonne produzierte Phosphorsäure um fast 60 % (gelber Punkt). Ein ähnliches Verhalten zeigt sich bei gleich bleibendem Phosphor-, aber zunehmenden Calciumgehalt in der Asche. Steigt letzterer von 18,7 % auf 28,7 %, so steigen gleichzeitig die Investitionskosten pro Tonne Einsatzstoffe aber auch pro Tonne Phosphorsäure um 20 %. Dies beruht ebenfalls auf der Vergrößerung einzelner Anlagenkomponenten, wie der Elektrodialyse, da mehr Calcium über die Membranen transportiert werden muss. Allgemein eignet sich die PARFORCE-Technologie auch unter wirtschaftlichen Aspekten sehr gut für die Rückgewinnung von Phosphor aus Klärschlammaschen. Wie bei allen nasschemischen Aufbereitungsverfahren sind die Investitionskosten jedoch stark von der chemischen Zusammensetzung abhängig, und deren Schwankungen führen automatisch zu einer deutlichen Steigerung der Investitions- und Betriebskosten. Um die Rückgewinnungsquoten nach Vorgabe der AbfKlärV sicher zu erfüllen, muss die Auslegung einer entsprechenden Aufbereitungsanlage diese möglichen Schwankungen berücksichtigen, und das bedeutet natürlich einen höheren technologischen Aufwand.
Eine gute Alternative bietet hingegen die Abtrennung von Phosphor bereits im Klärwerksprozess als MAP/Struvit (siehe Pkt. 4.2). Neben den erwähnten Vorteilen sind auch die wesentlich geringeren Investitionen im Vergleich zur Aufbereitung einer Klärschlammasche zu nennen (Bild 17, grüner Punkt). Die Investitionskosten für die Veredlung von Struvit mit dem PARFORCE-Verfahren liegen bei etwa 20 % derjenigen für eine Klärschlammasche. Der Unterschied beruht hauptsächlich auf der gleichbleibenden chemischen Zusammensetzung von MAP und der hohen Reinheit, da außer Magnesium, Ammonium und Phosphat keine Nebenbestandteile enthalten sind. Somit entfallen auch zusätzliche und teure Aufbereitungsschritte.
6 Zusammenfassung und Ausblick
Unter Verwendung verschiedener phosphorhaltiger Einsatzstoffe wie MAP/Struvit, Di- und Tricalciumphosphat-Rückstände, Apatit oder Klärschlammaschen konnte gezeigt werden, dass es gelungen ist, eine Technologie zu entwickeln, mit der es möglich ist, aus primären und sekundären Rohstoffen hochreine Phosphorsäure zu gewinnen. Die Technologie ist für verschiedene Verfahrensvarianten ausgelegt und damit vielseitig anwendbar. Insbesondere unter dem Aspekt der novellierten AbfKlärV stellt die PARFORCE-Technologie eine praktikable Lösung für Klärwerke dar, ohne dass eine aufwändige Klärschlammverbrennung in Anspruch genommen werden muss.
Die o. g. Ausgründung ist vollzogen. Die neu gegründete Start-Up PARFORCE Engineering & Consulting GmbH berät Klärwerksbetreiber sowie Entsorger und erstellt Konzepte auf Basis praktischer Untersuchungen in der Demonstrationsanlage, um potenzielle Kunden zu gewinnen. Ziel ist es, dem Klärschlammentsorger eine langfristige und sichere Lösung zur Umsetzung und Erfüllung der AbfKlärV anzubieten. Außerdem laufen derzeit Verhandlungen mit einem lokalen Klärwerk zum Aufbau einer Pilotanlage für eine Teilstrombehandlung zur Umsetzung des erweiterten PARFORCE-Ansatzes.