Nachhaltige Verpackungslösungen

Ungenutztes Potenzial von Papierrecycling erschließen

Nachhaltige Verpackungslösungen waren noch nie so gefragt wie heute. Dies trifft vor allen Dingen auf die Lebensmittelindustrie zu, da sich Verbraucher zunehmend von Produkten angezogen fühlen, die Umweltverantwortung versprechen. Dieser Trend hat eine deutliche Verlagerung hin zu papierbasierten Verpackungen ausgelöst, die von den Marktkräften und gesetzlichen Vorgaben verstärkt wird.

Der weltweite Markt für Verpackungen boomt: Er wird 2025 in Europa voraussichtlich 91,3 Mrd. € und in Nordamerika 70,7 Mrd. € erreichen und bis 2030 voraussichtlich mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 4,8 % bzw. 3,9 % weiterwachsen. Die Lebensmittelindustrie nimmt bei diesem Wandel eine Führungsposition ein, da Kartons für Getränke und andere flüssige Lebensmittel zu den am schnellsten wachsenden Verpackungsarten gehören, was durch die Präferenzen der Verbraucher und Nachhaltigkeitsziele zusätzlich forciert wird. Allerdings sind auch die vielversprechenden Papierverpackungen mit Herausforderungen verbunden, insbesondere im Bereich des Recyclings.

Trotz der raschen Einführung von papierbasierten Lösungen werden große Mengen an Papier, speziell aus gemischten Abfallströmen, nicht recycelt. Studien haben gezeigt, dass in Deutschland aus Leichtverpackungen pro Jahr 100 000 t hochwertiges Papier gewonnen werden könnten, eine Ressource also, die aufgrund verschiedener fortbestehender Herausforderungen weitestgehend ungenutzt bleibt. Das Gemeinschaftsprojekt EnEWA, an dem STADLER Anlagenbau GmbH, akademische Einrichtungen und weitere branchenführende Unternehmen mitgewirkt haben, hat bedeutende Fortschritte beim Nachweis der technischen Machbarkeit des Recyclings aus gemischten Abfällen erzielt. Der Weg zur Erschließung dieses Potenzials wird jedoch durch gesetzliche Auflagen erschwert, die es zu berücksichtigen gilt.

 

Die zunehmende Herausforderung
papierbasierter Verpackungen

In der Lebensmittelindustrie ist gerade ein bemerkenswerter Richtungsumschwung hin zu Papierverpackungen zu beobachten, der sowohl auf ökologische Aspekte als auch auf die Nachfrage der Verbraucher zurückzuführen ist. Unternehmen investieren in großem Umfang in nachhaltige Papierlösungen. Innovationen wie die Papierflaschen von Pulpex, die aus nachhaltig gewonnenem Zellstoff hergestellt werden, unterstreichen das Engagement der Branche für eine Verringerung des ökologischen Fußabdrucks. Doch trotz dieser Fortschritte bleibt das Recycling von Papier, insbesondere von Verbundverpackungen, ein komplexes Thema.

Die häufig für Lebensmittelprodukte verwendeten Verbundverpackungen kombinieren mehrere Schichten aus Materialien wie Papier, Kunststoff und Aluminium. Diese Schichten lassen sich schwer voneinander trennen, wodurch der Recyclingprozess energieintensiv wird und es leicht zu Verunreinigungen des recycelten Materials kommt. Darüber hinaus führen einige der neuen Verbundverpackungen beim Verbraucher zu Verwirrung, da sie komplett aus Papier zu bestehen scheinen, in Wirklichkeit aber Schichten anderer Materialien enthalten. Die technologischen Fortschritte sind zwar vielversprechend, aber das gesetzliche Umfeld schafft erhebliche Hürden.

Gesetzliche Hürden

Das Gesetzesumfeld soll die Sicherheit und Qualität von recycelten Materialien gewährleisten, wobei die Ansätze jedoch unterschiedlich sind. Die EU verfolgt einen Vorsorgeansatz zur Gewährleistung der Verbrauchersicherheit. So sind die EU-Vorschriften präskriptiv und verlangen detaillierte Tests, Dokumentationen und häufig eine Zulassung vor dem Inverkehrbringen. Die Empfehlung XXXVI des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ist offiziell eine Richtlinie. Sie legt jedoch strenge Kriterien zur Minimierung des Kontaminationsrisikos fest und schränkt die Verwendung von Recyclingpapier aus gemischten Abfallströmen für Lebensmittelanwendungen effektiv ein, was die Praktiken und vertraglichen Vereinbarungen der Industrie beeinflusst.

Die Vorschriften in anderen EU-Mitgliedsstaaten wie Italien und Spanien sind weniger präskriptiv, verlangen aber dennoch ein hohes Maß an Überprüfung der Herkunft der recycelten Fasern. Dies ist einerseits Ausdruck eines weitergehenden Engagements für die Aufrechterhaltung der Sicherheit von recycelten Materialien in Europa, stellt jedoch andererseits eine Herausforderung im Hinblick auf die Verwendung von gemischtem Altpapier in Lebensmittelverpackungen dar. Die skandinavischen Länder befolgen den EU-Vorschriften und fügen nationale Richtlinien hinzu, um spezifische regionale Belange zu berücksichtigen und eine hohe Verbrauchersicherheit zu gewährleisten. Die Vorschriften in Nordamerika hingegen konzentrieren sich mehr auf allgemeine Sicherheit und gute Herstellungspraxis und lassen mehr Flexibilität zu. Sie übertragen den Herstellern jedoch auch eine größere Verantwortung bei der Einhaltung der Vorschriften.

„Das EnEWA hat gezeigt, dass mit den richtigen technologischen Anpassungen, wie verbesserten Sortier- und Hygienisierungsverfahren hochwertiges Papier aus gemischten Abfallströmen gewonnen werden kann“, erklärt Annika Ludes, Produktingenieurin bei STADLER. „Aber wenn wir dieses Potenzial voll ausschöpfen wollen, sind Änderungen in der Gesetzeslandschaft unerlässlich. Änderungen von Richtlinien wie der BfR-Empfehlung XXXVI könnten den Weg für eine nachhaltigere Verwendung von Recyclingpapier in der Lebensmittelindustrie ebnen.“

 

Der Beitrag des EnEWA-Projektes

Das EnEWA-Projekt hat auf überzeugende Weise belegt, dass das Recycling von Papier aus gemischten Abfällen technisch machbar ist. Es hat gezeigt, dass durch innovative Sortiertechnologien und angepasste Prozesse mit trockener mechanischer oder nasser Sortierung sowie Hygienisierung Sekundärfasern gewonnen und ohne nennenswerte Probleme durch Verunreinigungen in der Papierherstellung verwendet werden können. Besondere Sortiertechnologien wie Nahinfrarot-(NIR-)Sensoren wurden optimiert, um Verbundstoffe zu identifizieren und zu trennen. Darüber hinaus konnten Verfahren wie die Heißdispergierung im Überdruck erfolgreich mikrobiologische Verunreinigungen reduzieren.

Das EnEWA-Projekt hat nicht nur diese technologischen Fortschritte erzielt, sondern sich auch bei den zuständigen Behörden für eine Aktualisierung der Richtlinien für die Abfallbewirtschaftung und Änderungen der restriktiven Vorschriften eingesetzt. So hat es Empfehlungen für einen flexibleren gesetzlichen Rahmen erarbeitet, insbesondere für Anwendungen außerhalb des Lebensmittelsektors oder für Verpackungen von trockenen Lebensmitteln. Gestützt werden diese Empfehlungen von wissenschaftlichen Daten aus Versuchen mit Worst-Case-Szenarien. Im Rahmen des Projekts wurden zudem Workshops mit Vertretern von Interessensgruppen wie der Verpackungsindustrie, Betreibern von Sortieranlagen und Papierrecycling-Unternehmen abgehalten.

 

Die Zukunft des Papierrecyclings

Das EnEWA-Projekt ist inzwischen abgeschlossen, aber sein Vermächtnis wirkt weiter. STADLER, jetzt Projektpartner beim Projekt SPaRe, arbeitet daran, die Energieeffizienz des Wertstoffkreislaufs Papier weiter zu verbessern. Ziel dieser Initiative ist es, die Nutzung von Reststoffen in der Papierproduktion zu optimieren, wodurch jährlich 1 TWh Energie eingespart werden kann – das entspricht 1,6 % des jährlichen Energieverbrauchs der Papierindustrie – und die Treibhausgasemissionen um ca. 350 000 t CO2-Äquivalente pro Jahr verringert werden.

Das EnEWA-Projekt hat das ungenutzte Potenzial des Papierrecyclings ins Blickfeld gerückt und gezeigt, dass die Technologie vorhanden ist, erhebliche Mengen an Papier aus gemischten Abfällen zu recyceln. Zur Erschließung dieses Potenzials sind jedoch gemeinsame Anstrengungen zur Überwindung gesetzlicher Hindernisse und zur Verbesserung der Praktiken in der Abfallwirtschaft erforderlich. Indem wir diese Herausforderungen in Angriff nehmen, können wir eine derzeit nicht genutzte Ressource in einen Grundpfeiler nachhaltiger Verpackungen verwandeln und die Branche auf dem Weg in eine stärker kreislauforientierte und umweltfreundlichere Zukunft voranbringen.

www.w-stadler.de

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