Untersuchung des Potenzials von Enhanced Landfill Mining zur Rohstoffrückgewinnung aus Abfällen
Abfalldeponien können unterschiedliche Risiken in sich bergen. Besonders ältere, vor Inkrafttreten staatlicher Auflagen entstandene Deponien, die in der Regel mit festen Siedlungsabfällen gefüllt wurden und ohne moderne Deponietechnik arbeiten, werden schon bald kostspielige Sanierungsmaßnahmen erforderlich machen, um künftige Gefahren für Umwelt und Gesundheit zu verhindern.
In Europa gibt es 150 000 bis 500 000 Deponien. Schätzungsweise 90 % davon sind sogenannte „unhygienische“ Deponien, die vor Inkrafttreten der EU-Deponierichtlinie aus dem Jahr 1999 entstanden sind. Enhanced Landfill Mining (ELFM), ein Deponierückbau mit angeschlossener Wertstoffrückgewinnung, ist eine potenzielle Lösung, mit der künftige Sanierungskosten drastisch gesenkt, wertwolle Böden zurückgewonnen und gleichzeitig wichtige Ressourcen erschlossen werden könnten.
Das auf vier Jahre angelegte Forschungsprojekt NEW-MINE unter Leitung des Instituts für nachhaltige Metalle und Mineralien (Instituut voor duurzame metalen en mineralen, SIM2) der KU Leuven, wurde im Jahr 2016 gestartet und erforscht unterschiedliche Aspekte des Enhanced Landfill Mining. Es soll innovative und umweltfreundliche ELFM-Technologien entwickeln und integrieren, um die auf Deponien gelagerten Materialien zu verwerten, Ressourcen wie Wertstoffe, Energie und Boden zurückzugewinnen sowie gleichzeitig künftige Risiken für Umwelt und Gesundheit zu verringern und beträchtliche Sanierungskosten zu vermeiden.
Dr. Lieven Machiels, Science & Technology Coordinator des Projektes am Institut für nachhaltige Metalle und Mineralien der KU Leuven erklärt: „Für uns ist Enhanced Landfill Mining der Missing Link zur Kreislaufwirtschaft. Der Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft des europäischen Green Deal legt den Fokus auf eine Politik „nachhaltiger Produkte“, die dem geringeren Einsatz und der Wiederverwendung von Wertstoffen dem Vorrang gegenüber dem eigentlichen Recycling einräumt und somit diese Maßnahmen an die Spitze der Abfallhierarchie stellt. Dabei wurde bisher jedoch nicht die Frage beantwortet, was Europa und andere Länder dieser Welt mit den enormen Mengen an Industrie- und Verbraucherabfällen machen werden, die in den letzten 100 Jahren auf Abraumhalden und Mülldeponien entsorgt wurden. In diesem Zusammenhang wurde ELFM als sofort einsatzfähiges Konzept ins Spiel gebracht, mit dem wir – unabhängig von der dringenden Notwendigkeit der Vermeidung neuer Abfälle und deren Entsorgung – die Problematik der Abfälle der Vergangenheit lösen können.“
Das Projekt erhält Fördergelder des Rahmenprogramms der Europäischen Union für Forschung und Innovation Horizont 2020. Neben acht europäischen Universitäten sind STADLER und andere Firmen aus dem privaten Sektor daran beteiligt. Fünfzehn Doktoranden haben die Aufgabe erhalten, neue Technologien zu erforschen und diese in vier technischen, der Wertschöpfungskette folgenden Arbeitspaketen zu testen. Von innovativer Deponie-Exploration und mechanischer Aufbereitung über thermische Abfallbehandlung (Plasma/Solarenergie/Hybrid) bis hin zu fortgeschrittenem Upcycling. Im vierten Arbeitspaket kommen Beurteilungsverfahren zum Einsatz, die anhand zahlreicher Kriterien die Kombination aus Ressourcenrückgewinnung/Sanierung, also ELFM, mit den Ansätzen „Nichts-Tun“, „klassische Sanierung“ und „klassischer Deponierückbau mit (gleichzeitiger) Verbrennung“ vergleichen.
Dr. Lieven Machiels erklärt: „Beim klassischen Deponierückbau liegt das Hauptaugenmerk auf der Reduzierung des Abfallvolumens, beispielsweise in Form von Verbrennung und der Wiederherstellung des Bodens, wobei die Rezyklatherstellung grundsätzlich begrenzt ist. Beim NEW-MINE-Projekt verfolgten wir einen ELFM-Ansatz mit dem Ziel, ein Maximum an Rohstoffen zurückzugewinnen. Anstatt die leichte Fraktion zu verbrennen, gewinnen wir aus den Abfällen einen Kraftstoff, den sogenannten Ersatzbrennstoff (EBS), das thermisch in ein Synthesegas und verglaste Rückstände umgewandelt wird. Das Synthesegas kann im Rahmen von Upcycling zur Herstellung von Methan oder Wasserstoff verwendet werden, während die verglasten Rückstände zur Produktion von Zement und Baumaterialien genutzt werden können.“
Technologien zur mechanischen Aufbereitung von Abfällen und Rückgewinnung von Rohstoffen
Die RWTH Aachen, einer der Projektpartner, lud STADLER ein, sich mit seiner Expertise und seiner Ausrüstung an dem Projekt zu beteiligen. So spielte STADLER eine wichtige Rolle beim ersten Arbeitspaket, das sich der mechanischen Aufbereitung widmete. Hauptziel war es herauszufinden, wie die Qualität der Fraktionen verbessert werden konnte, um daraus vielseitig nutzbaren EBS zu gewinnen. Ein weiteres wichtiges Ziel war die Erforschung von Anwendungen für die Feinfraktionen, die mehr als 50 % der Abfälle beim Deponierückbau ausmachen und für die es derzeit keine Verwendung gibt. Das Projekt zeigte, das durch eine weitere mechanische Trennung der Feinfraktion Sand erzeugt werden kann, der als Zuschlagstoff im Bausektor nutzbar ist. Die Leichtfraktion kann auch in die Abfallverbrennung gegeben werden.
STADLER unterstützte darüber hinaus das mit dem Projekt einhergehende Schulungsprogramm mit einem Lehrgang über „Automatisierte Sortiertechnologie für komplexe Abfälle“, der im Rahmen des zweiten NEW-MINE Network Event für die fünfzehn teilnehmenden Doktoranden angeboten wurde.
STADLERs Ballistikseparator erbringt Spitzenleistung unter Praxisbedingungen
Die theoretischen Forschungsergebnisse zur mechanischen Aufbereitung wurden unter Praxisbedingungen in der Deponie Mont-Saint-Guibert in Belgien getestet. Die Abfälle der Deponie wurden ausgebaggert und verarbeitet.
Ulrich Sigmund, Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung bei STADLER, beschreibt den Vorgang: „Ein Ballistikseparator STT6000 kam im ersten Schritt der mechanischen Aufbereitung zwecks Gewinnung von EBS und anderer Stoffe wie Metalle und inerter Stoffe zum Einsatz. Die Anlage trennte das ausgegebene Material in drei Fraktionen – Feinfraktion, rollende Fraktion, flächige Fraktion – die anschließend separat aufbereitet wurden, um weitere Recycling-Möglichkeiten zu untersuchen.“
Dr. Cristina Garcia Lopez, eine am NEW-MINE Projekt beteiligte Forscherin, ergänzt: „Wegen der vielen Verunreinigungen sind Deponieabfälle ein äußerst komplexes und heterogenes Material. Der Ballistikseparator bot uns hier die Möglichkeit, die ausgehobenen, unsortierten und nicht zerkleinerten Abfälle in drei verschiedene Materialströme einzuordnen: potenzieller EBS, 3D-Fraktion und Feinfraktion. Außerdem konnten wir die Deponie-Abfälle in ihrer Originalgröße und ohne zu Schreddern sortieren, wodurch keine kleinen Partikel der Feinfraktion verloren gingen. Auf diese Weise waren weniger Arbeitsschritte erforderlich. Ganz abgesehen davon war die enorme Aufnahmeleistung des Ballistikseparators STT6000 (150 t/h, je nach Materialdichte) sehr interessant. Schließlich liegt eine enorm hohe Menge an Abfällen auf den Deponien, während die Kapazität für eine mechanische Aufbereitung im Vergleich zur Aushubkapazität allgemein wirklich niedrig ist.“
Deponien sind eine besondere Herausforderung, wie Dr. Lieven Machiels erklärt: „Der Feuchtigkeitsgehalt der Deponieabfälle ist wesentlich höher als bei frischen Abfällen und die Abfälle sind stark zersetzt. Arbeitspaket 1 analysierte, wie sich das Material in sämtlichen Schritten des mechanischen Aufbereitungsprozesses verhält und welche Eigenschaften die unterschiedlichen Ausgabefraktionen aufweisen. Dieser Teil der Forschung war neu, weshalb die Ergebnisse für den künftigen Deponierückbau wichtig sind.“
Dr. mont. Bastian Küppers, ebenfalls Forscher beim NEW-MINE-Projekt, fügt hinzu: „Die kontinuierliche mechanische Aufbereitung der Deponieabfälle ist extrem schwierig, da der hohe Wassergehalt zu Blockierungen in der Prozesskette führt und somit die Leistung der Anlage und des Betriebs herabsetzt. Dies trifft besonders auf Feinfraktionen zu.“
Eine andere große Herausforderung bestand darin, dass die ausgehobenen Abfälle an Ort und Stelle verarbeitet werden mussten. Dementsprechend musste der Ballistikseparator auf einem provisorischen Betonfundament auf dem Gelände der Deponie installiert werden.
Der STADLER Ballistikseparator meisterte sämtliche Herausforderungen und bewies, dass er seine Leistung auch unter diesen schwierigen Einsatzbedingungen erbringt. Gleichzeitig bestätigte er die Machbarkeit des Projekts: „Der hohe Feuchtigkeitsgehalt des Materials war wirklich problematisch, denn das zugeführte Material enthielt Gestein und Erdklumpen mit bis zu 100 kg Gewicht“, so Ulrich Sigmund.
Christian Nordmann, Stellvertretender Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung von STADLER, der aktiv an den Tests in Belgien mitarbeitete, erklärt: „Die Maschine ist aufgrund der zwei Antriebe und der Zentralschmierung während des laufenden Betriebs äußerst robust. Die Lager sind sehr gut abgedichtet, sodass die Maschine im Freien arbeiten kann. Hierdurch kommt der STT6000 mit den Herausforderungen klar, vor die ihn das ausgehobene Deponiematerial stellt – hohe Feuchtigkeit, Staub und Stöße. Im Rahmen des Versuchs konnten wir die Materialtrennung, einschließlich der Masseverteilung und Materialparamater der erhaltenen Fraktionen abbilden.“
Dr. mont. Bastian Küppers ergänzt: „Der STADLER Ballistikseparator hat sich als sehr robust und nützlich zur Auflockerung, Trennung und entsprechenden Vorbereitung des Materials für die Aufbereitung erwiesen.“
„Die Versuche zeigten, dass ein neuer Ansatz für den Anfang eines Recyclingprozesses mit einer Trennung in drei Fraktionen möglich ist. Es gibt weniger Materialverschleiß und es wird weniger Energie verbraucht im Vergleich zum Standardprozess mit einer Kombination aus Schredder und Sieb“, fasst Ulrich Sigmund zusammen.